Schulterschluss
Brunner pinkelt FDP und CVP ans Bein: Warum haben die mitgespielt?

In der Sonntagspresse proklamiert SVP-Präsident Toni Brunner das Scheitern des bürgerlichen Schulterschlusses und pinkelt FDP und CVP zünftig ans Bein. Eine logische Entwicklung.

Stefan Schmid
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Beste Freunde? Darbellay, Müller und Brunner (von links). Peter Klaunzer/Keystone

Beste Freunde? Darbellay, Müller und Brunner (von links). Peter Klaunzer/Keystone

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Die bürgerliche Zusammenarbeit ist Vergangenheit. Wer hat es verkündet? Toni Brunner, der Präsident der SVP, die strategisch nach wie vor von Christoph Blocher gelenkt wird. Wo hat er es verkündet? In der Sonntagspresse. Damit die Türe, die da zugeschlagen wird, so richtig knallt. Und wie hat er es verkündet? Mit einem heftigen Trommelfeuer gegen die einstigen Partner, mit denen er so gerne eine langlebige Partnerschaft unter Führung der SVP installiert hätte – im Interesse des Landes notabene.

Die FDP denke nur an sich selbst und stimme nicht mehr zuverlässig, so Brunner. Und die CVP werde bei den Wahlen im Herbst auf die Welt kommen. Sie könne froh sein, frotzelt er, sollte sie die 10-Prozent-Marke noch erreichen. Willkommen im Wahlkampf 2015. Er hat definitiv begonnen.

Noch halten sich Christophe Darbellay und Philipp Müller auf Anfrage der «Nordwestschweiz» bedeckt. Sie planen einen Gegenschlag. Dem Vernehmen nach ist derzeit offen, ob dieser gemeinsam oder einzeln erfolgen soll. Auch inhaltlich scheint noch nicht ganz klar, wie man auf Brunners Kaskade reagieren will. Die Verärgerung sitzt tief. «Wer soll jetzt noch einen zweiten SVP-Bundesrat wählen?», fragt man sich in der CVP-Zentrale – gute Frage.

Als heimlicher Sieger fühlt sich derweil SP-Chef Christian Levrat. Er habe es ja immer gesagt, diese Allianz sei für die Füchse. «Jetzt merken CVP und FDP langsam, wie viel Unsinn der Schulterschluss enthält und werden von Toni Brunner öffentlich vorgeführt», sagt er. Der SP-Chef hofft, künftig wieder enger mit FDP und CVP zusammenzuarbeiten.

Win-win-Situation für die SVP

Gepunktet hat vorerst auch Toni Brunner. Die SVP konnte mit dem Schulterschluss-Deal gar nicht verlieren. Entweder kommt eine solide bürgerliche Allianz zustande, die viele Ideen und Projekte der SVP mitträgt. Das wäre ein politischer Erfolg gewesen. Oder aber die Zusammenarbeit hält nicht. Dies wiederum gibt Brunner die schöne Gelegenheit, die er jetzt genüsslich nutzt. Seine Botschaft: Wir sind die einzigen wahren Bürgerlichen. Die CVP ist irgendwo. Und die FDP leider auch. Wer bürgerlich tickt, kann eigentlich nur die SVP wählen. Die SVP-Kommunikation knüpft damit an die Diffamierungskampagnen der 1990er-Jahre an, als Christoph Blocher den Freisinn abwechselnd als «Weichsinnige» oder «Linke und Nette» verspottete.

Überraschend ist das alles nicht. Es wäre Blochers letzter Akt im Poker um die Vorherrschaft im bürgerlichen Lager gewesen. Ein Mitte-rechts-Block unter Anführung der SVP. FDP und CVP als Juniorpartner, die Linke als herziges Mauerblümchen. Brisant an der Geschichte ist eigentlich nur, dass die Spitzen von FDP und CVP die Fallgrube nicht gesehen haben. Warum haben Darbellay und Müller jemals in diesem Theater mitgespielt?

Die Chance für FDP und CVP

Die bürgerliche Mitte ist nach Jahren des Krebsgangs verunsichert. Anstatt jetzt wild auf Toni Brunner einzudreschen, der letztlich das tut, was die SVP blocherscher Prägung schon immer tat, benötigen die Mitteparteien dringend einen eigenen Plan, wie es mit diesem Land weitergehen soll. Die Schweiz braucht eine starke bürgerlich-liberale Kraft, deren Politik sich nicht darin erschöpft, in Ausländern und EU die Wurzeln allen Übels zu sehen. Der brunnersche Affront ist eine Chance.