Die Schweiz verliert den Glauben – beim Bistum Chur sorgt man sich um die christlichen Feiertage. Ein Freidenker erklärt, wie Arbeitstätige auch ohne Feiertage frei haben könnten.
Die Beliebtheit der Feiertage, die an Ereignisse der christlichen Religionslehre erinnern sollen, ist ungebrochen. Das Bedürfnis, diese Tage mit religiösen Inhalten zu füllen, hingegen schwindet zunehmend: Laut den jüngsten Erhebungen des Bundesamtes für Statistik nehmen 60 Prozent der Katholiken und über 70 Prozent der Reformierten höchstens fünfmal im Jahr an einem Gottesdienst teil. Bei der letzten Volkszählung vor knapp zwei Jahren gaben rund 1,5 Millionen der über 15-Jährigen an, konfessionslos zu sein – mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2000. Beim Bistum Chur macht man sich Sorgen: «Wenn der christliche Glaube an die Offenbarung des Sohnes Gottes immer mehr verdunstet, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Festtage, die an diesen Sohn Gottes erinnern, ebenfalls verschwinden oder umbenannt werden», warnt Bischofssprecher Giuseppe Gracia.
Die Bedenken sind nicht unbegründet, denn «wäre die Inanspruchnahme eines christlichen Feiertags mit einem Gottesdienstzwang verbunden, wären die hohen Feiertage mit Sicherheit im Nu abgeschafft», sagt Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz. «Dies und die stetig steigende Zahl der Konfessionslosen müssen künftig unbedingt Auswirkungen auf den gesetzlichen Umgang mit diesen Tagen haben.» Kyriacou fordert, dass Feiertage wie Auffahrt oder Pfingsten, bei denen die meisten die religiöse Bedeutung kaum mehr kennen, geschweige denn ihre Tagesplanung danach ausrichten, in Gesetzestexten nicht mehr als spezifisch religiöse Feiertage gelten. Sie sollen abgeschafft werden. «Will man die Zahl der Feiertage, die Arbeitstätigen zustehen, erhalten, wäre ein Ansatz im Stil der Englischen Bank Holidays eine gute Möglichkeit.»
Dies würde bedeuten, dass einige vereinbarte Tage im Jahr als arbeitsfrei gelten. Laut Kyriacou könnten es Tage sein, die auf religiöse Feiern zurückgehen, aber ebenso weltliche Feiertage wie der 1. Mai oder der 1. August. Fallen sie auf ein Wochenende, gelte der Montag darauf als arbeitsfrei. «Sie wären arbeitsrechtlich wie andere Sonntage zu behandeln. Personen, die an diesem Tag arbeiten müssen, können den Tag also kompensieren», so Kyriacou. «Tanz- oder andere Verbote sollte es an solchen Tagen selbstredend nicht geben.»
Auch in der Politik müsse man sich dieser Realität stellen und die Feiertag-Diskussion endlich führen. Eventuell brauche es dafür gar einen parlamentarischen Vorstoss, fordert SVP-Nationalrat Claudio Zanetti. Als gemäss eigenen Angaben besorgter Katholik richtet er vor allem Vorwürfe an die Adresse der Landeskirchen, die in seinen Augen lieber Politik betreiben, anstatt Glaubensinhalte vermitteln würden. Sie hätten diese religiöse Verwahrlosung zu verantworten, die Papst Benedikt XVI. sogar dazu bewog, eine Neuevangelisierung Europas zu fordern. Doch wer die Islamisierung «geradezu liebedienerisch begrüsst und unterstützt», habe seine Glaubwürdigkeit als Repräsentant des Christentums und seiner Werte verspielt. Folge dieses Versagens sei beispielsweise, dass viele Kinder Ostern und Weihnachten nur noch anhand der Schokoladen-Form unterscheiden könnten. Und worum es bei Pfingsten gehe, wisse kaum noch jemand. Aus diesem Grund könnte man konsequenterweise den Pfingstmontag als Feiertag streichen und durch einen «Tag der Freiheit» ersetzen.
Konfessionslos heisse nicht immer gottlos oder ungläubig, mahnt man beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK). «Die Kirchen unterstützen eine ausgewogene Balance zwischen Ruhe und Arbeit, die Bedeutung der Feiertage und des Wochenrhythmus – mit dem arbeitsfreien Sonntag, der auf der biblischen Schöpfungsgeschichte beruht – reicht weit über die religiösen Belange», sagt SEK-Sprecherin Anne Durrer. «Sie hat einen fundamentalen Stellenwert für das gesellschaftliche Zusammenleben, dafür kämpfen wir.»