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Schweiz
Winterferien in der Schweiz galten in Deutschland als verpönt: Zu teuer, die Nachbarn schauen scheel. Nun bringen Preissenkungen eine Wende. Mit einem Frankenkurs von 1.16 zum Euro ist in den Schweizer Wintersportorten vieles anders als in den trüben Vorjahren.
Jeden Winter reiste das deutsche Paar ins Fünf-Sterne-Hotel Arosa Kulm in Graubünden, 20 Jahre lang. Dann nicht mehr. Sie hätten sich den Besuch noch leisten können, das schon, hiess es am Telefon. Das Hotel im Bayrischen, in das sie dann auswichen, es war eigentlich nicht günstiger. Aber die Schweiz war nun mal verpönt, weil sie als überteuert galt. «Die Nachbarn, was würden die Nachbarn sagen ...»
Diesen Winter, mit einem Frankenkurs von 1.16 zum Euro, ist in den Schweizer Wintersportorten vieles anders als in den trüben Vorjahren. «Es sind nicht alle wieder da, aber diesen Winter beobachten wir erstmals, dass deutsche Gäste zurückkommen», sagt André Salamin, Hotelier im «Arosa Kulm».
Und auch die anderen, die immer treu blieben, egal ob der Franken einen Euro kostete, schnaufen diese Saison auf. «Die Erleichterung ist doch gross, dass sie nun wieder mit einem guten Gewissen kommen können.»
Um den Makel der Überteuerung loszuwerden, hat die Schweizer Hotellerie selber viel getan. Die Preise für Übernachtungen kamen in den letzten sieben Jahren herunter, gemäss Bundesamt für Statistik um immerhin acht Prozent. Gleichzeitig liess sich die Konkurrenz in Tirol und Vorarlberg zu einer etwas übermütigen Preispolitik verleiten, weil das Geschäft dank vieler Schweizer Gäste sehr gut lief.
Im letzten Winter buchten Schweizer dort 54 Prozent mehr Übernachtungen als acht Jahre zuvor. Die Preise gingen rauf. «Die haben die Chance genutzt, um mit Schweizern gutes Geld zu machen», sagt ein Bündner Touristiker.
Die Folgen dieser gegensätzlichen Preispolitiken zeigen sich auf den einschlägigen Vergleichsplattformen. Dort können Bündner Vier-Sterne-Hotels nun locker mithalten mit vergleichbaren Hotels in Österreich – oder die ewigen Konkurrenten unterbieten. Schweizer Fünf-Sterne-Hotels lassen sich finden, die gleich viel fürs Zimmer verlangen wie leicht abgelegene Tiroler Vier-Sterne-Hotels (siehe nachfolgende Bildergalerie). «Hotels: Die Schweiz ist nicht mehr teuer», titelte das Branchenmagazin «Hotel Revue» deshalb kürzlich.
Schweizer Ferienhotels sind oft viel günstiger als die Konkurrenz in Österreich. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie für den Preisvergleich:
Erstmals seit Jahren sieht und hört man in Schweizer Wintersportorten wieder mehr deutsche Gäste – in Bars und Läden, auf Parkplätzen und Pisten. Alte Konflikte werden wieder gepflegt, wenn Schweizer behaupten dürfen, es habe allzu forsche Deutsche beim Anstehen für den Skilift gehabt.
Deutsche diskutieren mit ihrem Hotelier, warum der gleiche Wein wie daheim, die gleiche Cola in der Schweiz derart viele «Fränkli» koste. Zuvor hatte es jahrelang weniger deutsche Gäste – in Graubünden in acht Jahren rund 50 Prozent, im Wallis fast 60 Prozent.
Mit offiziellen Statistiken lässt sich das Zurückkehren noch nicht bestätigen, auch wenn mancher Hotelier schon 50 Prozent mehr europäische Gäste vermeldet als im Vorjahr. Die Logiernächte-Zahlen – die härteste statistische Kennzahl im Tourismusgeschäft – stehen für den Monat Dezember noch aus.
Bis dahin müssen die Prognosen genügen. Demnach ist für die gesamte Schweiz mit rund fünf Prozent mehr Übernachtungen von deutschen Gästen zu rechnen. Wie die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH sagt, wird es auch mehr Franzosen und Italiener haben, je etwa vier Prozent.
Diesen Winter kehrten die Schneemassen zurück – und nicht überall verlief die Anpassung an einen echten Winter reibungslos. Im Hotel Arosa Kulm fielen die Schneefräsen aus. Erst die eine, zwei Tage später auch die andere, wie Direktor Salamin sagt. «Wir waren nicht vom Glück verfolgt, zumal in Arosa die Garagen überlastet waren und wir unsere Fräsen nicht reparieren konnten.» In den Wintern zuvor waren die Fräsen kaum im Einsatz, und kapitulierten diesen Winter.
Das Wetter war bislang so ganz anders als in den Vorsaisons. Erstmals seit langer Zeit fiel vor Weihnachten massenhaft Schnee. Und die Schweizer Bergbahnen verbuchten im Dezember sogleich 30 Prozent mehr Tageseintritte als im Vorjahr, wie der Branchenverband vermeldete. Dann trieb es der Wettergott bunt. «Evi», «Burglind» und «Friederike» stürmten im Januar.
Auf dem Pilatus blies der Wind mit 195 Stundenkilometern, Allzeitrekord. Es fielen landesweit riesige Mengen an Schnee, in Zermatt wurde nie mehr registriert. Im Unterland fühlte es sich zwischendurch frühlingshaft an, es wurde der wärmste Januar seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Und die Walliser Bergbahnen beklagten einen «empfindlich getrübten» Geschäftsgang.
Dem Wintertourismus führt das wieder einmal seine Anfälligkeit auf das Wetter vor Augen – und das Klima generell. In einem Bericht des Bundesamtes für Umwelt etwa wird eine «Zunahme der Ertragseinbussen» festgestellt, weil die Schneefallgrenzen durch den Klimawandel steigen.
Unter anderem verkürzt sich die Saison, heute ist sie etwa 37 Tage kürzer als vor 50 Jahren. Die Winterstimmung kommt abhanden, weisse Bänder durch grüne Wiesen schrecken ab. Und der Nachwuchs lernt das Skifahren nicht, weil nahe gelegene Skigebiete aufgeben.
Die zurückkehrenden Deutschen sind ein Erfolg für den Wintertourismus. Aber gleichzeitig auch ein vorläufiges Scheitern. Die gesamte Erholung, die sich in diesem Winter abzeichnet, wird getragen von europäischen und von amerikanischen Gästen. Den alten Stammgästen.
Dagegen gelang es kaum, auch Chinesen anzulocken, zumindest nicht in nennenswertem Ausmass. Und das Zurückholen der deutschen Gäste hat erst begonnen. Der Abstand zu den früheren Zahlen wird auch nach dieser Saison noch gross sein.
Aber erst einmal dürfte dieser Winter der Branche guttun. Die Rückkehr ausländischer Gästen bestätigt ihr, dass viele Vorwürfe an ihre Adresse unberechtigt waren. «Der Frankenkurs war das Problem, nicht die angeblich fehlende Freundlichkeit. Beinahe hätten wir den Unsinn geglaubt», sagt ein Touristiker. Vielerorts ist man guten Mutes, mehr deutsche Gäste zurückgewinnen zu können. Neuerdings wird auch öfter im Verbund vermarktet – wie etwa Davos, Arosa und St. Moritz.
Nach den Wetterkapriolen vom Januar verbleiben Unmengen an Schnee. So geht der Branche manches leichter von der Hand. «Grosse Schneemengen, wie es sie schon viele Jahre nicht mehr gab», können beworben werden. Im «Arosa Kulm» sieht man alles vorbereitet für die Sportferien. Hotelier Salamin sagt: «Wir haben drei Meter Schnee vor dem Haus – das hatten wir zuletzt vor fast 20 Jahren. Und am Wochenende soll es wieder schneien.» Seit Mitte Januar steht auch die grosse Schneefräse wieder bereit.