Im Verfahren um eine angeblich unzulässige Millionenzahlung gibt die Bundesanwaltschaft plötzlich enorm Gas.
In den Amtsstuben der Bundesanwaltschaft in Bern hat es jemand plötzlich ganz eilig. In einem Verfahren, das sechs Jahre lang mehrheitlich vor sich hin dümpelte, kann es plötzlich nicht schnell genug gehen.
Beleg dafür ist das rasante Tempo, mit dem der Staatsanwalt des Bundes, Thomas Hildbrand, neun Beweisanträge ablehnte. Einen, maximal zwei Arbeitstage nach Eingang entsprechender Anträge der Verteidigung schmetterte Hildbrand Gesuche um Zeugenbefragungen bereits ab.
Dies im Rahmen des Strafverfahrens gegen die ehemaligen hohen Fussballfunktionäre Sepp Blatter (85) und Michel Platini (66), einst Präsident der Fifa respektive der Uefa. Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden unter anderem Betrug vor. Es geht um eine Zahlung von zwei Millionen aus dem Jahr 2011, die die Fifa an Platini leistete.
Laut den Beschuldigten handelte es sich um die späte Begleichung einer Schuld aus den Jahren 1998 bis 2002, als Platini für die Fifa und Blatter als Berater und Aushängeschild tätig war. Die Schuld resultierte demnach daraus, dass 1998 per Handschlag ein Jahresgehalt von einer Million Franken für das französische Fussballidol vereinbart worden sei. Diese Summe habe Platini verlangt. Aber Blatter habe später gesagt, die Fifa könne vorerst nur 300'000 Franken zahlen, weil der Generalsekretär auch nicht mehr verdiene. Der Rest werde später bezahlt, sei verabredet worden.
Als Platini Jahre später von goldenen Fallschirmen in Millionenhöhe für diverse Fifa-Funktionäre hörte, habe er Blatter an die Schuld erinnert. Und auf dessen Aufforderung hin Rechnung gestellt. Die Zahlung wurde dann von den zuständigen Fifa-Gremien ordentlich genehmigt.
Laut Verteidigung gibt es zudem bisher von der Bundesanwaltschaft nicht befragte Zeugen, die seit 1998 von der Vereinbarung um Platinis Millionensalär gehört hatten und deren Existenz kennen. Unter ihnen Vertreter der Uefa, wo Platinis Million schon vor über 20 Jahren ein Thema war.
Solche Zeugen wollten die Verteidiger jetzt befragen lassen, aber die Bundesanwaltschaft blockt ab. Sie würden, argumentiert Hildbrand wiederholt, keine neuen Erkenntnisse bringen. Die Aussagen dieser Leute seien bereits aktenkundig, da in anderen Verfahren schriftlich vorgebracht. Und diese Aussagen taugten nicht zur Entlastung vom Tatvorwurf, so sinngemäss die Bundesanwaltschaft.
Anscheinend stellt Hildbrand nicht so sehr die ursprüngliche Vereinbarung in Frage, mündlich und per Handschlag abgeschlossen, wonach Platini eine Million erhalten sollte. Er fokussiert offenbar den Umstand, dass letztlich aber nur 300'000 Franken vertraglich festgehalten wurden.
Ebenfalls kein Musikgehör hatte Hildbrand bezüglich weiterer Zeugen. Platinis Verteidigung hatte laut Informationen von CH Media nämlich auch noch beantragt, drei ganz spezielle Personen zu befragen.
Als Zeugen sollten vorgeladen werden: Gianni Infantino, Präsident der Fifa, die im Verfahren als Privatklägerin auftritt und Druck macht. Der ehemalige Staatsanwalt des Bundes, Olivier Thormann, der das Platini-Blatter-Verfahren 2015 eröffnet hatte. Sowie Stefan Keller, der als Sonderermittler des Bundes den Hintergrund der ominösen «Schweizerhof»-Geheimtreffen zwischen Bundesanwaltschaft und Fifa zu klären versuchte, bis er vom Bundesstrafgericht gestoppt wurde.
Staatsanwalt Hildbrand lehnt auch diese Befragungen ab. Er begründet dies damit, es sei nicht ersichtlich, welchen Beitrag zur Klärung der Sache diese drei Herren leisten könnten. Es sei beispielsweise auch «nicht ersichtlich», welche Angaben betreffend die inkriminierte Zahlung Infantino machen könnte.
Es liegt aber auf der Hand, was die Verteidigung wollte: Nach wie vor steht die Theorie im Raum, vertreten auch von der Aufsichtsbehörde über die BA, dass Infantino der Bundesanwaltschaft und damit Thormann den Tipp zu den zwei Millionen zukommen liess, um Platini und Blatter (sie wurden in der Folge von der Fifa suspendiert) als Konkurrenten um den Fifa-Thron auszuschalten. Infantino bestreitet vehement, dass er die Hände im Spiel hatte. Auch Sonderermittler Keller ging aber offensichtlich dieser Theorie nach. Und die Verteidiger hätten die Zeugen gerne mit den Vermutungen konfrontiert. Hildbrand hält diese Fragen allerdings für irrelevant.
So bleibt vorerst weiterhin offen, woher die Bundesanwaltschaft den Tipp mit den zwei Millionen hatte, ohne nicht Infantino, sondern Platini Fifa-Präsident und Blatter-Nachfolger geworden wäre. Sicher ist, dass die Bundesanwaltschaft bisher nicht preisgeben will, wie sie zu dieser Information kam.
Mit der Abweisung der Beweisanträge ist die Bahn frei für die Anklage gegen Blatter und Platini beim Bundesstrafgericht in Bellinzona. Der Prozess dürfte nächstes Jahr stattfinden. In der Hauptverhandlung dürften die Verteidiger von Blatter und Platini erneut beantragen, die mutmasslichen Entlastungszeugen zu befragen.
Offen ist, warum Hildbrand plötzlich so aufs Tempo drückt. Als mögliche Erklärung gilt: Der Fall soll vor Ende Jahr, also vor dem Amtsantritt des neuen Bundesanwalts Stefan Blättler zur Anklage gebracht werden. Um diesen nicht mit dem explosiven Fall zu belasten, ist die eine Erklärung. Um ihm nicht die Möglichkeit zu geben, noch korrigierend einzugreifen, die andere.
Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Blatter wie Platini zeigen sich «sehr zuversichtlich», was den Ausgang des Verfahrens betrifft.