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Nach den dubiosen Geheimtreffen von Fifa-Boss Gianni Infantino und Bundesanwalt Michael Lauber sollte Sonderermittler Stefan Keller Licht ins Dunkel bringen. Doch jetzt darf er nicht mehr gegen Infantino ermitteln. Ein Gericht hält Keller für befangen. Stand ihm seine Eitelkeit im Weg?
Was für Schlagzeilen hatten die Geheimtreffen von Ex-Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa Chef Gianni Infantino schon ausgelöst. Sie weckten gar Zweifel an Laubers Behörde. Doch jetzt tritt ausgerechnet der Mann in ein Fettnäpfchen, der Licht ins Dunkel bringen sollte: Stefan Keller, der extra eingesetzte ausserordentliche Bundesanwalt, darf nicht mehr gegen Infantino ermitteln, weil er befangen ist. Dies hat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes entschieden. Die Hintergründe.
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Auslöser der ganzen Geschichte sind umstrittene, nicht protokollierte Geheimtreffen zwischen Fifa-Präsident Gianni Infantino und dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber. Dessen Behörde hatte damals mehrere Fussballverfahren am Laufen. Die Männer trafen sich 2017 zum Mittagessen im noblen «Schweizerhof» in Bern. Bis heute ist nicht klar, was sie diskutierten und wer alles am Tisch anwesend war. Das Treffen, an das sich Michael Lauber nicht mehr erinnern wollte, war mit ein Grund, weshalb er zurücktreten musste. Keller sollte als ausserordentlicher Bundesanwalt klären, ob sich der Ex-Bundesanwalt strafbar gemacht hatte. Gleichzeitig führte er gegen Infantino ein Verfahren wegen Anstiftung zu Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung und Begünstigung.
Dies hat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes in Bellinzona soeben entschieden. Gianni Infantino hatte gegenüber dem Gericht erfolgreich argumentiert, dass man Keller Befangenheit vorwerfen kann.
Stefan Keller informierte die Öffentlichkeit offensiv über seine Arbeit. Nun werden ihm seine Medienmitteilungen zum Verhängnis. Hintergrund ist erstaunlicherweise ein Nebengleis der ganzen Geschichte: Dabei geht es um einen Flug im Privatjet, den Infantino von Surinam in die Schweiz unternahm. Keller hatte zu prüfen, ob deswegen gegen Infantino ein Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsführung einzuleiten sei. Obwohl es dabei nur um eine Vorprüfung ging, habe der ausserordentliche Bundesanwalt Infantino öffentlich bereits als Beschuldigten hingestellt, urteilen die Richter. Er habe damit «in klarer Weise» die Unschuldsvermutung verletzt.
Zudem plauderte Keller in einer Fachzeitschrift Verfahrensinterna aus und machte Zwischenentscheide von Gerichten publik, noch bevor die Gerichte die Entscheide publiziert hatten. Das Gericht zieht ein verheerendes Fazit zur Kommunikation des Sonderermittlers, der zu gewöhnlichen Zeiten als Obwaldner Obergerichtspräsident amtet. Es fallen Begriffe wie «äusserst fragwürdig», «irreführend» oder «nicht objektiv».
Doch. Sie dürfen sich zu Verfahren äussern, «wenn lediglich offensichtliche Tatsachen erwähnt werden.» Sogar ungeschickte oder scherzhaft-deplatzierte Äusserungen müssen nicht dazu führen, dass ein Staatsanwalt als befangen gilt. Hier aber würden die Umstände «Misstrauen in die Unparteilichkeit» erwecken, so die Richter.
Grundsätzlich kann Keller nach wie vor die Untersuchung gegen Ex-Bundesanwalt Lauber führen. Allerdings sind die Verfahren Infantino und Lauber eng verzahnt. Ständerat Andrea Caroni, der Präsident der Gerichtskommission des Parlamentes, hat nun Keller und die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft zu einer Sitzung der Gerichtskommission eingeladen. Am 19. Mai müssen sie dort erklären, wie das weitere Vorgehen aussehen soll.
Nicht allzu viel. Infantino hat zwar erreicht, dass Keller nicht mehr ermitteln darf. Letztlich hat der Fifa-Boss aber nur Zeit gewonnen. Die Vorwürfe sind nicht vom Tisch. Sie werden von der Justiz abgeklärt werden müssen. Jedoch wird jemand anderes die Untersuchung führen.
Keller nimmt den Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zur Kenntnis. Es sei nun zu klären, "welche Auswirkungen der Entscheid aus Bellinzona für die verschiedenen Verfahren sowie die übrigen Beteiligten hat", teil er mit. Bis dahin will Keller "keine weiteren Verfahrenshandlungen vornehmen".
Die im Urteil erhobenen Vorwürfe, er habe «irreführende und tatsachenwidrige Informationen kommuniziert», weist Keller zurück.