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Schweiz
Die Kantone stellen sich hinter den Kompromissvorschlag, weil sie die Volksabstimmung fürchten. Die Auns liebäugelt sogar mit der Unterstützung der Initiative, um die Konzerne abzustrafen – in der SVP stösst dies auf blankes Unverständnis.
Die Konzernverantwortungsinitiative sorgt für Allianzen, die es in der Politik kaum je gab. Mit der Initiative soll die Verantwortung Schweizer Konzerne für Menschenrechtsverletzung und Umweltzerstörung verstärkt werden (siehe Kasten unten). Eingereicht wurde sie von zahlreichen Hilfswerken, Umweltschutzverbänden, Menschenrechtsorganisationen und Kirchen.
Bereits bekannt ist, dass die Wirtschaft gespalten ist. Die mächtigen Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Swissholdings kämpfen mit grossem Einsatz gegen die Initiative sowie den Gegenvorschlag. Auf der anderen Seite steht ausgerechnet der Verband der Rohstoffhändler sowie ein Zusammenschluss von 90 multinationalen Unternehmen rund um den Genfersee, die hinter dem Gegenvorschlag stehen – wie auch die IG Detailhandel und der Aktionärsberater Ethos.
Nun schlagen sich auch die Kantone auf die Seite des Gegenvorschlags. Dies hat am Montag die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) beschlossen. In erster Linie fürchten die Kantone die Annahme der Initiative, falls diese vors Volk kommt. VDK-Präsident und Basler Regierungsrat Christoph Brutschin sagt:
Wir glauben, dass die Initiative gute Chancen bei der Bevölkerung hat und dem Schweizer Wirtschaftsstandort schaden würde. Deshalb unterstützen wir den Gegenvorschlag.
Damit schätzen die Kantone die Lage anders ein als die Wirtschaftsdachverbände, die optimistisch sind, den Abstimmungskampf zu gewinnen. Auch der Bundesrat hatte die Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Regierungsrat Brutschin sagt:
Als Kantonsvertreter sind wir in engem Kontakt mit der Bevölkerung. Wir haben den Eindruck, dass die Initiative bei den Leuten auf grossen Anklang stösst.
Der Entscheid der Kantone ist nicht der erste überraschende Positionsbezug dieser Tage. Am Donnerstag verkündete Auns-Präsident und SVP-Nationalrat Lukas Reimann aus heiterem Himmel die Sympathie der Auns für die Initiative:
Demnach behält sich die Auns vor, die Konzernverantwortungsinitiative zu unterstützen. Zum Gegenvorschlag schreibt die nationalkonservative Organisation gar:
Der Gegenvorschlag - von SVP-Nationalrat und Prof. Dr. iur. Hans-Ueli Vogt ausgearbeitet – ist aus Sicht der AUNS zwingend anzunehmen.
Das Argument: Die «Konzernlobby» – gemeint ist Economiesuisse –würde die Schweiz verraten mit ihrer Forderung nach einem Rahmenabkommen. In der Medienmitteilung heisst es:
Die Auns spielt nicht länger den Steigbügelhalter und Bückling für genau diese Kreise, welche unser Land mit allen Mitteln ausverkaufen, ausnehmen und unsere Demokratie begraben wollen.
Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Der Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti antwortet sogleich auf Twitter, worauf sich der Geschäftsführer des IT-Verbands Jean-Marc Hensch einschaltete.
Beide äusserten sich konsterniert über den Positionsbezug. Zanetti zieht gar einen Austritt aus der Organisation in Betracht, die von SVP-Leitfigur Christoph Blocher gegründet wurde und 1992 massgeblich für das Nein zum EWR verantwortlich war.
In der Folge machte sich auch CVP-Präsident Gerhard Pfister über die Auns lustig:
Der Positionsbezug der Auns ist in der Tat höchst erstaunlich. Schliesslich sitzen im Vorstand der Organisation mehrere prominente SVP-Exponenten: der welsche Wahlkampfleiter Oskar Freysinger, der Blocher-Vertraute Christoph Mörgeli, Vizepräsident Marco Chiesa sowie die Nationalräte Luzi Stamm und Barbara Keller-Inhelder.
Die Initiative hat zum Ziel, die Haftung von Schweizer Unternehmen für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden auszudehnen. Neu sollen hiesige Unternehmen für Verfehlungen ausländischer Töchter und wichtige Zulieferer in der Schweiz einklagbar werden. Weiter wären die Firmen verpflichtet, eine Sorgfaltspflicht durchzuführen: Sie müssten aufzeigen, welche Vorkehrungen sie treffen, um Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen im Ausland zu verhindern. Der Gegenvorschlag des Parlaments teilt die Idee, schränkt aber die Haftung im Vergleich zur Initiative ein. Einzig für Tochterfirmen sollen die Schweizer Mutterkonzerne haftbar sein; zudem beschränkt sich die Haftung auf Verletzungen von Leib, Leben und Eigentum. Umweltschäden wären hingegen vom Gegenvorschlag nicht erfasst. (rob)