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Auch wegen No-Billag-Debatte: Schweizer vertrauen den Medien wie nie zuvor

Laut einer Studie erreicht das Vertrauen in die Medien ein Allzeithoch. Parlament und Polizei schneiden allerdings besser ab

Dominic Wirth
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Die Medien sind in der Vertrauensfrage die Gewinner.

Die Medien sind in der Vertrauensfrage die Gewinner.

KEYSTONE

Die Medienbranche hat es nicht leicht, das ist schon länger so. Die Leser brechen ihr weg, die Inserateeinnahmen noch dazu. Und dann ist da der Fake-News-Vorwurf, den ausgerechnet der mächtigste Mann der Welt, US-Präsident Donald Trump, so gerne herumposaunt. Neue Zahlen zeigen jetzt aber, dass dies zumindest in der Schweiz nicht verfängt. Hierzulande ist das Vertrauen in die Medien so hoch wie nie zuvor, wie aus der Sicherheitsstudie 2019 der ETH hervorgeht.

Seit 1999 evaluiert die Hochschule etwa, wie die Schweizer zu Institutionen wie Wissenschaft, Politik oder eben Medien stehen. Und so vertrauensvoll wie 2019 äusserten sie sich noch nie über die Medien. Damit nicht genug: In den letzten 13 Jahren hat keine andere Institution mehr zulegen können als die Medien.

Thomas Ferst, Mitautor und Projektleiter der Studienreihe «Sicherheit», sieht einen Grund für den Höchstwert darin, dass die Schweizer generell optimistisch in die Zukunft blicken. 86 Prozent der Befragten geben an, dass sie die nähere Zukunft der Schweiz sehr oder eher optimistisch sehen. «Die Leute fühlen sich sicher, es geht ihnen gut, sie schauen positiv nach vorne. Das schlägt sich auch im Medienvertrauen nieder», sagt Ferst.

No-Billag-Debatte half den Medien

Tatsächlich sind die Medien nicht die einzige Institution, die sich über einen Vertrauensgewinn freuen kann; auch Polizei, Gerichte oder Bundesrat legten in den letzten Jahren zu. Nur eben nicht so deutlich wie die Medien.

Auf einer Skala von 1 (überhaupt kein Vertrauen) bis 10 (volles Vertrauen) erreichen die Medien heute einen Wert von 5,8. 2016 lag dieser noch bei lediglich 5,1. «Seither sehen wir, dass das Vertrauen in die traditionellen Medien stark gestiegen ist», sagt Thomas Ferst. Das liegt in seinen Augen auch an der intensiven Debatte über die Zukunft der SRG, die im Zuge der Abstimmung über die No-Billag-Initiative geführt wurde.

Generell werde bei der Frage nach dem Vertrauen in die Medien an ein allgemeines Mediensystem gedacht, sagt Thomas Ferst. Dieses schneidet deutlich besser ab als die sozialen Medien. Ihnen trauen die Menschen generell weniger – besonders jene mit hoher Bildung.

Die Medien sind in der Vertrauensfrage der Gewinner der letzten Jahre, doch wahr ist auch, dass sie den meisten anderen Institutionen noch immer hinterherhinken. Nur den politischen Parteien vertrauen die Schweizer noch weniger als den Medien. An der Spitze steht die Polizei, dahinter folgen die Wissenschaft, die Gerichte und der Bundesrat. Auch Parlament und Armee liegen deutlich vor den Medien.

«Zahlen nicht überbewerten»

Journalismus-Professor Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften findet das nicht weiter schlimm. «Eine gewisse Grundskepsis gegenüber den Medien ist gar nicht schlecht», sagt er. Und verweist auf China, wo die Medien alles andere als unabhängig sind, gleichzeitig in Vertrauens-Umfragen aber sehr hohe Werte erreichen. Die Resultate der Sicherheitsstudie sind für Wyss ein Nachweis dafür, dass jene Kreise, welche in den herkömmlichen Medien die «Lügenpresse» sehen, eine Minderheit bilden.

Donald Trump bereitet Sorgenfalten

Mancherorts klingt die neue Sicherheitsstudie, als sei die Schweiz ein wahres Paradies. Die Menschen im Land fühlen sich überaus sicher, sie vertrauen den Institutionen – und sie schauen zuversichtlich in die Zukunft. Sobald sie allerdings den Blick nach aussen wenden, verdüstert sich das Bild. So schätzen die Schweizer etwa die weltpolitische Lage signifikant kritischer ein als 2018. Und das macht ihnen für die Zukunft Sorgen. 73 Prozent geben an, die Entwicklung der weltpolitischen Lage in den nächsten fünf Jahren eher pessimistisch oder sehr pessimistisch zu sehen. Hauptgrund dafür ist die Machtpolitik der Grossmächte.

Auffällig oft wird der amerikanische Präsident Trump als Grund für den Pessimismus erwähnt; auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China bereitet vielen Sorgen. Ins Auge sticht, dass die USA nur noch ein wenig mehr Vertrauen geniessen als China und Russland. Während die USA von 28 Prozent als vertrauenswürdig betrachtet werden, erreichen China 22 und Russland 16 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland kommt auf 92.

In dieser als angespannt empfundenen weltpolitischen Lage wollen die Schweizer fast einstimmig die Neutralität beibehalten, ihre Befürwortung ist auf einem Allzeithoch. Gegenüber der Europäischen Union bleiben die Befragten skeptisch. Zwei Drittel sind dagegen, dass die Schweiz sich der EU stärker annähert als bisher. 82 Prozent wollen aber, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter vertieft wird. (dow)

Gleichzeitig warnt Wyss davor, die Zahlen zu überbewerten. «Andere Studien zeigen, dass es durchaus Vertrauensprobleme gibt», sagt der Wissenschafter. Wyss verweist etwa auf das jüngste Sorgenbarometer. Aus diesem geht hervor, dass verschiedene Mediengattungen, darunter auch Radio, Fernsehen und Bezahlzeitungen, eher an Vertrauen verloren haben.

Wyss zieht aus den unterschiedlichen Ergebnissen den Schluss, dass es «keinen Grund gibt, übermässig zu jubeln». Er verweist etwa darauf, dass gerade jüngere Menschen die traditionellen Medien immer weniger nutzen. «Das muss uns Sorgen machen», sagt er und betont, dass gerade Intensivnutzer von Informationsmedien stärker vertrauen würden als Wenignutzer. Dasselbe gilt in seinen Augen für jene Leute, die zwar in der Minderheit sind, aber den Medien kein bisschen mehr trauen. «Wir müssen uns fragen, wie wir das Vertrauen dieser Leute stärken und sie zurückholen können», so Wyss.