Abstimmungen
Auch kleine Firmen fürchten sich vor der Kriegsmaterial-Initiative der GSoA – haben sie Grund dazu?

Die Kriegsmaterial-Initiative könnte nicht nur Rüstungskonzerne, sondern auch KMU treffen, die der Rüstungsindustrie zuliefern. Davor warnt der Branchenverband Swissmem. Allerdings besteht über die Zahlen und die Interpretation des Initiativtextes Verwirrung.

Lucien Fluri
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Swissmem warnt: Die GSoA-Initiative könnte nicht nur explizite Rüstungshersteller, sondern auch viele KMU aus der Präzisionsindustrie treffen.

Swissmem warnt: Die GSoA-Initiative könnte nicht nur explizite Rüstungshersteller, sondern auch viele KMU aus der Präzisionsindustrie treffen.

Bruno Kissling

Es gibt die eindeutigen Fälle: Wird die Kriegsmaterial-Initiative der GSoA am 29. November angenommen, dürfen die Nationalbank und Pensionskassen nicht mehr in grosse Rüstungskonzerne investieren.

Doch dann gibt es auch die weniger klaren Fälle: Mehrere Tausend kleine und mittlere Unternehmen könnten ebenso von den Folgen der Initiative t betroffen sein und etwa schwieriger an Kredite kommen, warnt Swissmem. Der Verband der Maschinen- und Metallindustrie nennt in einer Schätzung erstmals eine konkrete Zahl: Bis zu 3000 Unternehmen hätten Konsequenzen zu fürchten. Es geht um Zulieferbetriebe, die nur einen Teil ihres Umsatzes mit Rüstungsgeschäften bestreiten. Etwa der Küchenhersteller, der auch Spezialbeschichtungen für die Wehrtechnik herstellt. Oder Präzisionsmechanik-Firmen, die im Hauptgeschäft für die Uhren-, Auto- oder Medtechbranche arbeiten.

Rüstungsbereich als Stütze in der Krise

Eigentlich würde die Initiative sie nicht treffen. Denn diese zielt nur auf Firmen, die mehr als fünf Prozent des Umsatzes mit Rüstungsgütern erarbeiten. Doch nun sind, wie in früheren Krisen, die anderen Bereiche eingebrochen. Die Uhrenindustrie sei derzeit ebenso angeschlagen wie die Automobil- oder Luftfahrtindustrie, sagt Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher. Der Rüstungsbereich sei dagegen am Wachsen. Damit nimmt der Rüstungsanteil bei diesen Firmen anteilsmässig automatisch zu.

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es rasch passieren, dass ein KMU mit einem grossen Kunden mehr als fünf Prozent des Umsatzes erzielt»,

warnt Swissmem. Deshalb könnten diese Firmen auch plötzlich betroffen sein und deswegen etwa künftig nur noch erschwerten Zugang zu Bankkrediten haben. Dies sorge für kurzfristige Liquiditäts- und Existenzprobleme. Angefragte Firmen bestätigen, dass derzeit der Verteidigungsbereich zum Überleben beiträgt. Keine Probleme für die KMU sieht dagegen Lewin Lempert von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee. «Die Zahlen von Swissmem sind absolut lächerlich», sagt er. Laut einer von der «WOZ» veröffentlichten Liste des SECO exportierten im ganzen Jahr 2017 rund 150 Schweizer Firmen explizit Kriegsmaterialgüter. Lempert verweist vor allem auf einen Punkt:

Nur weil eine Firma Teile für Rüstungsprojekte liefert, fällt sie noch nicht unter das Kriegsmaterialgesetz. Eine Schraube, die sowohl im Panzer als auch im Auto verwendet werden kann, zählt nicht.

Lempert fragt sich inzwischen, ob die Gegner der Initiative dies bewusst falsch darstellen. Tatsächlich geben die einschlägigen Gesetze Lempert recht: Als Kriegsmaterial gelten Einzelteile gemäss Gesetz nur, «sofern erkennbar ist, dass diese Teile in derselben Ausführung nicht auch für zivile Zwecke verwendbar sind».

Stimmen alle Behauptungen von Swissmem?

Sind die Zahlen von Swissmem falsch? «Die Schätzungen sind belastbar und eher konservativ», ist Stefan Brupbacher überzeugt. Brupbacher befürchtet, dass Firmen plötzlich am Pranger stehen könnten. Sobald eine Schraube am Abzug einer Waffe auf einem Foto gezeigt werde, so gelte die Firma als Kriegsmaterialhersteller. «Viele Firmen kämen in eine Grauzone, obwohl sie zu über 90 Prozent im zivilen Bereich tätig sind.»

Die bisherige Diskussion zeigt, wie sehr es auf die Auslegung des Initiativtextes ankommt. Auch in einem anderen Punkt: So sagt Swissmen, Banken dürften die betroffenen Firmen nach Annahme der Initiative nicht mehr finanzieren. Dieser Punkt ist nicht ganz korrekt. Laut Initiativtext muss sich der Bundesrat dafür einsetzen, dass auch Banken und Versicherungen keine Geschäfte machen mit Firmen, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes im Rüstungsbereich erarbeiten. Ein Verbot muss theoretisch nicht sein. Sehr viel hängt davon ab, wie das Parlament die Initiative umsetzt.

«Hemmend für künftige Entwicklungen»

So oder so: Bis zur Abstimmung – oder bis Details einer allfälligen Umsetzung vorliegen– sorgt die Initiative für Unsicherheit. Eine Firma, die von der Initiative betroffen sein könnte, ist die Rewag Feinmechanik AG. Das St. Galler KMU stellt hoch anspruchsvolle Präzisionsbauteile her, etwa für die Optik- oder Prozessindustrie sowie für die Medizinaltechnik. Derzeit ist man daran, den Luft- und Raumfahrtbereich auszubauen. Unmittelbar hätte die Initiative keine Folgen, sagt Firmeninhaber René Thoma. «Für die zukünftige Entwicklung und Investitionen könnte sie sich aber hemmend auswirken.» Ob dies der Fall wäre, würde auch davon abhängen, wie das Parlament die Initiative umsetzen würde.