"Schön, dass sie da sind", begrüsste Gerichtspräsident Adrian Jent den 56-jährigen Angeklagten am Montagmorgen im Gerichtssaal. Die Anspielung war deutlich: Zur ersten Verhandlung Ende April war der Mann nicht erschienen. "Wieso sind sie nicht gekommen?", fragte Jent. Etwas verlegen meinte der Mann, er sei damals auf dem Weg zur Arbeit gewesen und habe dann wegen des bevorstehenden Prozesses Panik bekommen. So habe er sich einige Tage im Wald versteckt.
Ein Teil des Mehrfamilienhaus ist wie weggerissen.
© Martin Töngi
Der Zivilschutz beginnt mit den Aufräumarbeiten rings um das zerstörte Gebäude.
© Martin Töngi
Eine Woche später stellte er sich, daraufhin kam er für 40 Tage in Haft. Das Zwangsmassnahmengericht wollte ihn weiterhin in Haft behalten, doch anfangs Juni hiess das Kantonsgericht seine Haftbeschwerde gut. Seither ist er wieder auf freiem Fuss, arbeitet weiterhin als Koch und lebt in seiner bisherigen Wohnung. Allerdings gab es Auflagen: Er muss zur Psychotherapie, mit der Bewährungshilfe seine Schuldensituation aufarbeiten und sich auch wöchentlich beim Polizeiposten melden.
Wegen der Gasexplosion im April 2012 in der Längi wirft ihm die Staatsanwaltschaft vorsätzliche Verursachung einer Explosion vor, er habe nach langem inneren Ringen mit Suizidgedanken an jenem Samstagnachmittag mit einem Gasanzünder die Explosion absichtlich ausgelöst.
"Das ist völliger Blödsinn", sagte der 56-Jährige am Montag dazu. Als er am Nachmittag aufgewacht sei, habe er überhaupt keine Suizidgedanken mehr gehabt. "Ich würde mich nie mit einer Explosion umbringen und andere dabei verletzen", betonte er. Auslöser seines Todeswunsches sei ein damals lange schwelender Streit mit seiner Chefin gewesen.
Laut seiner Version habe er erst am Freitagabend die Sicherheitsschaltung seines Gasherdes mit einer Bettlatte überbrückt und sich dann direkt vor den Herd gesetzt. Die Idee sei dabei gewesen, dass er vom Gas ohnmächtig werde und seine Hand die Latte dann automatisch wegdrücke, so wäre kein weiteres Gas mehr aus dem Herd geströmt. Funktioniert hat das allerdings nicht, ihm wurde übel, und irgendwann am frühen Morgen gab er den Selbsttötungsversuch auf und ging schlafen.
Als er am Samstag gegen 14.30 Uhr Brötchen aufbacken wollte, machte er den Backofen auf und betätigte den Gasanzünder. Daraufhin zerstörte die Explosion das Gebäude, auch er selber erlitt Verbrennungen an Händen, Füssen und im Gesicht. Die Staatsanwaltschaft hat angesichts seiner Aussagen auch eine Eventualanklage ausgearbeitet, wonach der Mann die Explosion fahrlässig ausgelöst haben soll.
Doch auch dies bestritt er vor Gericht: Er habe die Wohnung ausgiebig gelüftet und kein Gas mehr gerochen. Adrian Jent konfrontierte ihn allerdings ausführlich mit seinen früheren Aussagen: Mal will er Fenster gekippt haben, mal geöffnet, mal eines, mal alle, und die Geschichte mit der wegzudrückenden Latte hatte er erst sehr spät im Verfahren erzählt. Ein technischer Experte sagte dazu vor Gericht, nach der Explosion seien alle vier Herdplatten noch voll aufgedreht gewesen.
Forensik-Experte Thorsten Spielmann sah beim Angeklagten ein gewisses Muster bei früheren "Unfällen": Eine unbeaufsichtigte Kerze führte zu einem Zimmerbrand, und vor 35 Jahren fuhr der Mann mit 1,8 Promille im Blut in einen Brückenpfeiler. "Da kann man nicht mehr von Zufällen sprechen", sagte Spielmann. Er geht in Bezug auf die Längi-Explosion von einer schweren Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit aus, auch wegen des Alkoholkonsums in jener Nacht. Der Prozess geht am Dienstag mit den Plädoyers weiter.