Deutliche Mehrbelastung: An der Dietiker Schule sind die Auswirkungen der Abschaffung der Schulsozialarbeit insbesondere für Lehrpersonen und Schulleitungen spürbar.
Matthias Kessler
«Ganz klar: Es fehlt der einfache, niederschwellige Kontakt - jemand, der vor Ort ist und sofort helfen kann.» Für Martin Imhof, Schulleiter im Dietiker Schulhaus Fondli und derzeit Vorsitzender der Schulleitungskonferenz, ist die Abschaffung der Schulsozialarbeit (SSA) auf Beginn des Jahres zu spüren - insbesondere auch im Schulalltag.
Das Klima im Schulhaus habe sich seiner Meinung nach verändert, sagt Imhof. Es komme vermehrt zu Konflikten auf dem Pausenplatz, Schwierigkeiten auf dem Schulweg könnten nicht mehr aufgefangen und nachbereitet werden: «Die Anlaufstelle für die Behandlung solcher Fälle ist weg.»
Zusätzliches Engagement
Die Schulsozialarbeitenden seien, erklärt Imhof, die eigentlichen Netzwerker an der Schule gewesen, hätten sich nicht nur mit Schüler- und Lehrerschaft ausgetauscht, sondern seien auch in regem Kontakt beispielsweise mit dem Schulpsychologischen Dienst (SPD) und der Jugend- und Familienberatung gestanden.
Die Abschaffung der SSA ziehe aber noch weitere Konsequenzen nach sich, fährt Imhof fort. Die bereits grosse Belastung der Lehrpersonen und der Schulleitungen sei zusätzlich gestiegen. Denn: In jenen Fällen, welche zuvor die Schulsozialarbeit übernommen hatte, würden nun sie kontaktiert. Und Zeit, Präventionsprojekte zu lancieren und in der wichtigen Früherkennung von Problemen aktiv zu sein, sei kaum vorhanden.
Wertvolle Zuständigkeitsliste
Wie es nach der Abschaffung der Schulsozialarbeit aus der Sicht des Schulpräsidenten weitergeht? Gaudenz Buchli räuspert sich und meint: «Um es auf ein Schlagwort zu reduzieren: Es geht um Schadensbegrenzung.» Sofort nach dem Volksentscheid zur Abschaffung im letzten November habe man sich zusammengesetzt, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Dabei, so Buchli, seien die damals noch angestellten Schulsozialarbeitenden durch das Zusammenstellen unter anderem einer umfassenden Zuständigkeitsliste eine grosse Hilfe gewesen; auf der Liste ist vermerkt, an wen man sich in welcher Situation wenden kann. Trotzdem sei natürlich sehr viel Know-how verloren gegangen.
SPD: Telefonische Beratung
Als zweite Massnahme habe man das Gespräch mit dem SPD gesucht und gemeinsam diskutiert, welche Notfalllösungen gefunden werden könnten, hält der Schulpräsident weiter fest. Der SPD sei aber bereits stark ausgelastet; man habe sich deshalb geeinigt, einen Telefondienst für Beratungen von Schülern, Lehrpersonen, Eltern und Behördenmitglieder einzurichten. Die bestehenden Sprechstunden für Lehrpersonen könnten nur minimal ausgebaut werden. Der SPD habe mehr Anfragen, die früher von der SSA bearbeitet worden seien; aber er könne nicht so unmittelbar reagieren wie die SSA, die vor Ort gewesen sei, gibt er zu bedenken.
Schliesslich, so Buchli, habe die Schule für grössere Interventionen, wenn es um Probleme in einer Klasse oder um klassenübergreifende Schwierigkeiten gehe, bereits externe Unterstützung beansprucht und behalte sich vor, diese auch künftig in Anspruch zu nehmen. Dass dies Zusatzkosten verursache, liege auf der Hand. Darauf habe er aber bereits bei der Budgetdiskussion im Parlament Ende des letzten Jahres hingewiesen.
Bis zur vom Kanton vorgegebenen flächendeckenden Einführung der Schulsozialarbeit - die gesetzliche Grundlage, das Kinder- und Jugendhilfegesetz, ist in Arbeit - muss in Dietikon laut Buchli die Zeit mit den bereits umgesetzten, allenfalls noch weiteren Massnahmen überbrückt werden. Dass das Gesetz bereits aufs nächste Jahr hin in Kraft trete, wie auf der entsprechenden Internetseite des Kantons vermerkt wird, sei allerdings unsicher, so der Schulpräsident.
Informationen zur Schulsozialarbeit unter www.ajb.zh.ch/Projekte/ssa