Nach kurzer Krankheit
Alt Bundesrat Otto Stich ist gestorben

Der ehemalige Solothurner Bundesrat Otto Stich ist in der Nacht auf heute gestorben. Der SP-Magistrat wurde 85 Jahre alt. Stich verstarb nach kurzer Krankheit an seinem Wohnort in Dornach im Alters- und Pflegeheim.

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Otto Stich wurde an Stelle von Lilian Uchtenhagen in den Bundesrat gewählt. Am 7. Dezember 1983 erklärte er Annahme der Wahl.
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An einem SP-Sonderparteitag wurde 1984 über den Verbleib im Bundesrat entschieden.
Frauenkiller Otto Stich 1986 im Gespräch mit Nationalrätin Eva Segmueller (CVP).
Alt Bundesrat Otto Stich ist tot
Bundesräte Pierre Aubert und Otto Stich im Gespräch
Alt Bundesrat Otto Stich ist gestorben

Otto Stich wurde an Stelle von Lilian Uchtenhagen in den Bundesrat gewählt. Am 7. Dezember 1983 erklärte er Annahme der Wahl.

Keystone

Alt-Bundesrat Otto Stich verstarb an seinem Wohnort in Dornach im Alters- und Pflegeheim Wollmatt im Alter von 85-Jahren. «Nach kurzer Krankheit», wie es von seiten des Bundes heisst.

Noch im Frühling hatte Stich seinen grossen Lebensrückblick unter dem Titel «Ich blieb einfach einfach» publiziert. Der Solothurner sass von 1983 bis 1995 im Bundesrat. Er stand dem Finanzdepartement vor. 1988 und 1994 war er Bundespräsident.

«Markig aber herzlich»

Der Bundesrat nimmt Anteil an der Trauer über den Tod von Otto Stich und spricht der Familie sein herzliches Beileid aus. Der ehemalige Bundespräsident werde als markige, aber herzliche Persönlichkeit in Erinnerung bleiben, heisst es in einer Mitteilung.

Die Landesregierung erinnert an politische Höhepunkte, die Stich zunächst mit seiner Ernennung zum Gemeindeammann von Dornach erlebte, später mit der Wahl in den Nationalrat und schliesslich in den Bundesrat.

Stich habe schon nach kurzer Zeit seiner Amtsführung Freunde und Kritiker für sich einzunehmen vermocht. Überzeugt habe er vor allem mit Hartnäckigkeit und Sachverstand, mit welchem er sich für seine Überzeugungen einsetzte, schreibt der Bundesrat.

Stets sei der ehemalige Finanzminister so wahrgenommen worden, wie er seine Ende 2011 erschienene Autobiografie überschrieb: "Ich blieb einfach einfach".

Stichs Parteikolleginnen und Kollegen von der SP reagierten tief betroffen. Parteipräsident Christian Levrat bezeichnete Stich als einen der "glaubwürdigsten und volksnahesten Bundesräte der Geschichte".

Stich "war der umsichtigste Finanzminister, den ich erlebt habe", lässt sich Levrat in einem SP-Communiqué weiter zitieren. Zudem würdigte die Partei Stich als aufrechten Sozialdemokraten. Nach seinem Rücktritt 1995 meldete sich Stich gemäss SP hin und wieder "mit scharfsinnigen Analysen zu Wort".

Stich überzeugte vor allem mit der Hartnäckigkeit und dem Sachverstand, mit dem er im mehrheitlich bürgerlichen Gremium linke Positionen zu verteidigen verstand. «Ob Astag oder Banken, unser Otto wird nicht wanken», plakatierte die sozialdemokratische Basis schon in seinem ersten Amtsjahr.

Hartnäckiger Sparer

Vor allem sein hartnäckiger Sparwille irritierte Politiker von links bis rechts immer wieder. Er bescherte des Bundeskasse aber mehrere Jahr lang Milliarden-Überschüsse. Stich versucht auch die Mehrwertsteuer einzuführen. Sein erster Versuch scheiterte 1991 an der Urne. Zwei Jahr später, sagte die Schweizer und Schweizerinnen dann doch noch Ja.

Stich konnte - im Gegensatz zu seiner Partei - auch gut mit dem Nein zum EWR im Jahr 1992 Leben. Das sei keine Katastrophe, sagte Stich damals.

Intimfeind Adolf Ogi

Am 31. August 1995 kündigte Stich per 31. Oktober seinen Rücktritt aus dem Bundesrat an. Er begründete seinen Rücktritt vor allem mit seinem Alter. Später gestand er, dass es einen Zusammenhang gab mit einer Niederlage im Bundesrat beim Entscheid, die NEAT mit dem Lötschberg-Basistunnel zu bauen. Stich hatte das Projekt von Bundesrat Adolf Ogi, seit jeher sein politischer Intimfeind, vehement bekämpft, da er die Finanzierung als nicht gesichert fand.

Auch nach seinem Rücktritt hat sich Stich weiter zu politischen Fragen geäussert.

Stich wurde am 10. Januar 1927 in Dornach als Sohn eines Mechanikers geboren. Stich studierte an der Universität Basel und promovierte 1955 zum Doktor der Staatswissenschaften. Danach unterrichtete er an der Gewerbeschule Basel die Fächer Deutsch, Geschäfts-, Wirtschafts- und Staatskunde.

Aus Mechanikerfamilie

1947, im Alter von 20 Jahren, wurde Otto Stich Mitglied der sozialdemokratischen Partei des Kantons Solothurn. Mit 26 Jahren begann seine politische Karriere mit einem Sitz in der Dornacher Rechnungsprüfungskommission. Vier Jahre später, im Jahre 1957, wurde er in den Gemeinderat gewählt und konnte nach einer familieninternen Aussprache mit seinem Vater auch dessen Amt des Gemeindeammanns übernehmen.

1963 wurde er für Willi Ritschard, der Regierungsrat wurde, knapp in den Nationalrat gewählt. 48 Stimmen Vorsprung waren es bei der ersten Zählung, 24 bei der zweiten und 12 bei der dritten und letzten Zählung.

Im Nationalrat machte Stich vor allem in Wirtschafts- und Finanzfragen von sich reden. Ab 1971 war er auch Präsident der Wirtschafts- und Finanzkommission. 1970 trat er bei Coop Schweiz die Stelle als Personalchef an und wurde später Mitglied der Direktion.

Aus dem «Frauenkiller» wird SP-Musterbundesrat

1983 wurde Stich von seiner kantonalen Partei indirekt aufgefordert, nicht mehr für den Nationalrat zu kandidieren. Vor allem Gewerkschaftsboss Ernst Leuenberger und Rolf Ritschard wollten den «Sesselkleber» Stich von seinem Sitz drängen. Stich kündigte tatsächlich seinen Rückzug an - um wenig später Bundesrat zu werden. Stich folge in einer umstrittenen Wahl auf Willi Ritschard. Der nicht offizielle Kandidat Stich wurde bereits im ersten Wahlgang gewählt und musste von da an als «Frauenkiller». Denn Stich wurde anstelle der offiziellen Kandidatin, der Zürcher Nationalrätin Liliane Uchtenhagen gewählt, die die SP als erste Bundesrätin der Schweiz lancierte.

Die Wahl Stich führte in der SP zu einer grossen Zerreissprobe. Der Antrag der Parteileitung, sich aus dem Bundesrat zurückzuziehen, wurde 1984 aber klar abgeschmettert. Und «Frauenkiller» Stich zum grossen Ärger der Bürgerlichen, die ihn gewählt hatten, zum SP-Musterschüler im Bundesrat. (rsn)