Während die Welt das Apartheidregime ächtete, machten wir Geschäfte mit ihm. Der Tod von Nelson Mandela ruft Erinnerungen an ein schwieriges Kapitel in der Geschichte der Schweizer Aussenpolitik wach.
Ende 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Schweiz von der Vergangenheit eingeholt. Sammelklagen aus den USA gegen Schweizer Banken, die angeblich Einlagen von jüdischen Kunden, die später von den Nazis umgebracht wurden, für sich behalten hätten. Diese «jüdischen Vermögen» waren zwar nicht so hoch, wie vermutet wurde, aber es reichte, um die Schweiz dazu zu bewegen, ihre Haltung gegenüber Nazideutschland historisch aufzuarbeiten. Die Eidgenössische Expertenkommission publizierte dann nach aufwendigen Arbeiten den sogenannten «Bergier-Bericht».
Handel war wichtiger als Menschenrechte, lautete vor acht Jahren das Fazit des Schweizerischen Nationalfondsprojekts «Beziehungen Schweiz - Südafrika». Während die Politik in Bern nach 1968 offiziell das Apartheid-Regime verurteilt hatte, machte die Wirtschaft weiter gute Geschäfte und sprang oft in Lücken, welche andere Länder hinterlassen hatten. So löste Zürich London 1968 als wichtigsten Handelsplatz für physisches Gold aus dem grössten Förderland Südafrika ab. «Die Einfuhr für private Rechnung unterliegt nach der geltenden schweizerischen Regelung keinen Einschränkungen», beschied der Bundesrat im Juni 1969 in der kleinen Anfrage Wyler. Zuvor war Gold im damaligen Wert von «einigen 100 Milliarden Franken» in die Schweiz eingeführt worden. Auch die Beschränkung von Investitionen auf eine Höhe von 10 Millionen Franken wurde unterlaufen: Es gab einfach zahlreiche Projekte mit Beträgen knapp unter 10 Millionen Franken. Weiter hielt die Schweiz die Zentralbank Südafrikas dazu an, ihren Aussenhandel mit der Schweiz nur noch unter der Sammelkategorie «übriges Europa» auszuweisen. So wurde mit dem Segen der offiziellen Schweiz das Ausmass des Handels zwischen der Schweiz und Südafrika verschleiert.
Dabei brauchte man damals lediglich in einen Supermarkt oder zum Flughafen Zürich zu gehen. In den Gestellen gab es günstigen Wein aus Südafrika. Und South African Airways bediente die Strecke nach Zürich mit ihren ersten Jumbos. Wichtigste Fracht: die Goldbarren. (Nik)
Das «Holocaust-Debakel» löste bei manchen Parlamentariern Sorgen aus, es könnte sich in den Beziehungen zum Apartheidregime in Südafrika etwas Ähnliches entwickeln. Die grüne Nationalrätin Pia Hollenstein verlangte eine Parallelaktion, das Parlament genehmigte schliesslich als «Variante light» ein Nationales Forschungsprogramm (NFP 42+).
Schweiz unterlief UNO-Sanktionen
2001 begannen die Forschungsarbeiten. Ganz ahnungslos war man in der Schweiz nicht. Es gab eine starke Anti-Apartheid-Bewegung, die immer wieder den Finger auf wunde Punkte gelegte hatte. Die Resultate des NFP42+ gingen trotzdem über das Erwartete hinaus. Das rassistische südafrikanische Apartheid-Regime war seit den 70er-Jahren international geächtet, 1977 verhängte der UNO-Sicherheitsrat zum Beispiel ein Waffenembargo. Die Schweiz hielt sich nie daran und unterlief die internationalen Sanktionen vor allem wirtschaftlich, aber auch politisch. Als Nicht-UNO-Mitglied, erklärte die Schweiz, fühle sie sich nicht an Sanktionen gebunden.
Schweizer Unternehmen hatten keine Skrupel, nach dem Zweiten Weltkrieg mit Südafrika ins Geschäft zu kommen. Profit vor Menschenrechte – vordergründig rechtfertigte man das damit, man müsse sich nur an die lokalen Gesetze halten. Indem der Schweizer Finanzplatz behilflich war, den Kredithunger Südafrikas zu stillen, war er dem Regime zumindest behilflich.
Um die Frage, die das NFP42+ beantworten sollte, ob nämlich das Verhalten der Schweiz das menschenrechtswidrige Regime länger an der Macht gehalten habe, wand sich der Schlussbericht herum. Professor Georg Kreis, Präsident der Leitungsgruppe, äusserte sich zwiespältig. «Gestützt und gestärkt» hätte die Schweiz den Unrechtstaat schon, «und somit begünstigt. Dies dürfte aber für die Lebensdauer des Regimes kaum von grosser Bedeutung gewesen sein.» Immerhin entschuldigte sich die südafrikanische Zentralbank vor der Wahrheitskommission, ihre Politik habe politische Reformen verzögert.
Mandela blitzte in Bern ab
Im Juni 1990 kam Nelson Mandela nach Bern. Er war seit ein paar Monaten aus dem Gefängnis frei gekommen. Er bat die Schweiz, sich doch auch an den Sanktionen gegen das rassistische Regime zu beteiligen. Die Schweizer Regierung winkte ab. Das tue die Schweiz «prinzipiell» nicht. Diese «Prinzipien» hinderten sie allerdings nicht, genau dies im August 1990 gegen den Irak, der in Kuwait einmarschiert war, zu tun.
Ähnlich wie im Verhältnis zu Nazi-Deutschland verhielt sich die Schweiz auch zum Apartheid-Regime heuchlerisch. Vordergründig verurteilte man es, im Hintergrund machte man Geschäfte mit ihm. War das im Fall von Hitlerdeutschland noch unter historisch-pragmatischen Begriffen nachvollziehbar, fällt es für das Apartheid-Regime schwerer, Gründe dafür zu finden.
Ein ganz düsteres Kapitel sind die militärischen, nachrichtendienstlichen und nukleartechnischen Hilfestellungen. Vieles ist bekannt, das Meiste wahrscheinlich nicht. Mitten in den NFP-Forschungsarbeiten 2003 verhängte der Bundesrat eine Aktensperre. Man wolle Schadenersatzforderungen aus Südafrika nicht behilflich sein. Letzte Woche hat er die Sperre verlängert.