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Schweiz
Während die Konkurrenz bei der Positionierung zum institutionellen Abkommen mit der EU bisher zauderte, punkteten Grünliberale und SVP mit einer kompromisslosen Haltung zum Rahmenabkommen. Was passiert, wenn das Abkommen scheitert?
Vielleicht liegt das Rahmenabkommen mit der Europäischen Union noch nicht auf dem Sterbebett. Aber mindestens auf der Intensivstation. Denn um den Gesundheitszustand des Patienten steht es nicht gut.
Am Freitag reist Bundespräsident Guy Parmelin nach Brüssel zu einem Treffen der letzten Hoffnung mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Doch es ist fraglich, ob bei dem Gespräch auf höchster politischer Ebene gelingt, was Staatssekretärin Livia Leu auf technischer Ebene während Monaten misslang: Eine Einigung bei den strittigen Punkten. Nicht auszuschliessen, dass der Bundesrat im Falle eines Scheiterns zum Schluss kommt, das Institutionelle Abkommen (InstA) sei in der jetzigen Form nicht mehrheitsfähig ist. Und das Vetragswerk deshalb gar nicht erst unterschreibt.
Ein solches europapolitisches Erdbeben würde auch die Position von Grünliberale und SVP erschüttern. Während sich die anderen politischen Kräften nur widerwillig und mit viel Wenn und Aber zum InstA positionierten, stellte sich die GLP seit längere Zeit vorbehaltlos hinter das Rahmenabkommen – während es die SVP unmissverständlich ablehnte.
Die klare Haltung verhalf beiden Parteien zu einem Alleinstellungsmerkmal. Sollte das InstA doch unterzeichnet werden, so dürfte es im Hinblick auf die nächsten eidgenössischen Wahlen 2023 zu einem wichtigen Thema werden. Ein Ende des Rahmenabkommens hingegen und die damit verbundene Phase der europapolitischen Desorientierung würden GLP und SVP ihren Wahlkampfschlager kosten.
GLP-Parteipräsident Jürg Grossen sagt:
«Es liegt mir fern, dass Rahmenabkommen als Wahlkampfthema retten zu wollen».
Seine Partei setze sich nicht für dessen Unterzeichnung ein, um ein Alleinstellungsmerkmal zu haben, sondern «weil es die beste Lösung ist und sich nur schlechtere Alternativen abzeichnen», sagt der Berner Nationalrat: «Wir machen Politik im Sinne der Schweiz, nicht um mehr Wähler zu bekommen.»
Ähnlich tönt es beim Luzerner Franz Grüter, Vizepräsident der SVP: «Ziel unserer Politik ist nicht, uns einen Wahlkampfschlager für 2023 zu sichern.» Würde die SVP so denken, wäre das schlecht für das Land. Die Stärke der Partei sei ihre Glaubwürdigkeit dank langjähriger Konstanz in Kernthemen wie der Europapolitik. «Wir lehnen das Rahmenabkommen ab, weil wir der Überzeugung sind, dass es schädlich ist für die Schweiz»
Oberste Priorität habe für die SVP deshalb, das Vertragswerk möglichst schnell zu beerdigen. «Wir wollen nicht, dass es der Bundesrat unterzeichnet, weil wir dann auf Rückenwind aus einem Abstimmungskampf spekulieren». Dennoch räumt Grüter ein:
«Auch wenn uns eine solche Auseinandersetzung wahrscheinlich tatsächlich Stimmen bringen würde»
Grüter und Grossen sind beide überzeugt, dass sich die klare europapolitische Haltung ihrer Parteien auch nach einer allfälligen Beerdigung des Rahmenabkommens auszahlen wird. Das Verhältnis zur Europäischen Union bliebe auch ohne das Rahmenabkommen ein wichtiges Thema, ist SVP-Nationalrat Franz Grüter überzeugt. Das sieht auch GLP-Präsident Jürg Grossen so. Seine Partei werde sich so oder so für stabile, gute und verlässliche Beziehung zur EU einsetzen.
Unterschiedlich sehen sie die Chancen des InstA: «Der Patient ist überlebensfähig», glaubt Grossen. Es werde immer breiteren Kreisen klar, dass ein «von der Schweiz mit Selbstbewusstsein umgesetztes Rahmenabkommen die mit Abstand beste Option ist.» Franz Grüter hingegen glaubt, dass selbst bei einer Klärung der offenen Streitpunkte «eine überwältigende Mehrheit das Abkommen ablehnt.»