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Schweiz
Der Kompromiss war einst ein Markenzeichen der Schweizer Politik. Und tatsächlich: Im Zusammenhang mit der USR fällt der Begriff Kompromiss so oft wie schon lange nicht mehr. Denn alle wissen: Es braucht eine Neuauflage.
Vreni Spoerry soll Kutteln gegessen haben, damals im Restaurant Harmonie in Bern. Acht Parlamentarier aus den vier Parteien sassen zusammen und schmiedeten einen helvetischen Kompromiss: Das neue Mehrwertsteuergesetz.
Drei Mal hatte das Volk zuvor die Einführung der Mehrwertsteuer als Ersatz für die Warenumsatzsteuer (Wust) abgelehnt. Die Exportindustrie ächzte, weil sie die Wust nicht zurückfordern konnte und das Schweizer System international nicht kompatibel war.
Für die Linken (und das Volk) galt die Mehrwertsteuer jedoch als unsozial. Der Endkonsument, sprich die Bevölkerung, bezahlt, die Firmen profitieren. Die Ausgangslage erinnert – entfernt – an die Unternehmenssteuerreform III.
Die acht Parlamentarier einigten sich auf folgenden Kompromiss: Die Mehrwertsteuer wird eingeführt. Ein Prozent der Einnahmen – das Demografieprozent – geht an die AHV. Und der Bund zahlt 500 Millionen an die Krankenkassenprämien. Der damalige Finanzminister Otto Stich hatte zwar keine Freude daran – doch der Plan hatte vor dem Volk Bestand.
Der berühmte helvetische Kompromiss: Es gibt natürlich auch weniger verklärende Bezeichnungen für die Zeit bis Mitte der 90er-Jahre. Die Schweiz als korporatistischer Staat. Oder verfilztes Land. Wo Wirtschaft und Politik sehr eng verflochten waren. Wo der Vorort (heute Economiesuisse) und der Gewerkschaftsbund die Lösungen aushandelten und die Fraktionen im Parlament noch zustimmten.
Die ehemalige Zürcher FDP-Politikerin Vreni Spoerry war der Inbegriff dieses Systems: Sie war auch Verwaltungsrätin bei Nestlé und bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Doch sie sei eben nicht einfach Wasserträgerin gewesen, sondern habe der Wirtschaft die Politik erklärt und den Tarif durchgegeben, erinnert sich ein langjähriger Politbeobachter.
Mittlerweile ist der Schweizer Politbetrieb unübersichtlicher geworden: Die politischen Lager haben sich radikalisiert, die Wirtschaftsverbände an Einfluss verloren. «Die Berner Mechanik muss ihre verlorene Kompromissfähigkeit wieder erlangen, sagte Rudolf Strahm gestern im «Tages-Anzeiger.»
Tatsächlich: Im Zusammenhang mit der USR fällt der Begriff Kompromiss so oft wie schon lange nicht mehr. Denn alle wissen: Es braucht eine Neuauflage. Vier Anläufe wie bei der Mehrwertsteuer – so viel Zeit bleibt nicht.
Finanzminister Ueli Maurer wird dem Bundesrat an einer der nächsten Sitzungen einen Zeitplan vorlegen. Maurer muss das neue Projekt an die Hand nehmen. Doch er braucht auch Komplizen im Parlament. Wer könnte diese Rolle übernehmen?
Der Brückenbauer braucht folgende Eigenschaften: Narrenfreiheit gegenüber der Partei, aber dennoch eine starke Stellung innerhalb. Ständeräte werden im Majorz gewählt und haben als Kantonsvertreter einen Vorteil gegenüber Nationalräten.
Erfahrung muss sein: Novizen, die sich erst noch profilieren müssen und (mediale) Aufmerksamkeit brauchen, sind wenig geeignet, Kompromisse hinter den Türen zu zimmern. Schliesslich muss man auch in der richtigen Kommission sitzen: Bei der Steuerreform ist das die Wirtschaftskommission. Folgende Politiker könnten also eine tragende Rolle bei der Neuauflage spielen: