Hitze
Alarm am Beckenrand: Den Badis gehen die Badmeister aus

Während Tausende Menschen ans Wasser strömen, fehlt den Badis Personal. Das gefährdet die Sicherheit. Der Präsident der Schweizer Badmeister, Michel Kunz, warnt deshalb: «Wir brauchen wieder mehr Fachkräfte.»

Yannick Nock
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Viel Verantwortung, aber mässiger Lohn: Junge Männer und Frauen wollen nicht Badmeister werden.

Viel Verantwortung, aber mässiger Lohn: Junge Männer und Frauen wollen nicht Badmeister werden.

Keystone

«36 Grad, und es wird noch heisser» – was 2007 bloss der Sommerhit einer deutschen Band war, ist in dieser Woche Schweizer Realität. Das Thermometer steigt, die Hitzerekorde purzeln und Tausende Menschen strömen in die Badis, um sich abzukühlen. Doch das wird mancherorts zum Problem, denn am Beckenrad herrscht Fachkräftemangel: Den Badis gehen die Badmeister aus.

«Erst vor wenigen Tagen hat mich eine verzweifelte Betreiberin aus dem Kanton Bern angerufen, weil sie immer noch nach geeignetem Personal sucht», sagt Michel Kunz, Präsident des Schweizerischen Badmeisterverbandes. «Es gibt nicht mehr genügend Badmeister.» Darunter könnte die Sicherheit leiden. Und die Entwicklung wird sich verschärfen. Künftig dürften Dutzende Lebensretter fehlen, schätzt Kunz. Im schlimmsten Fall bleiben die betroffenen Badis an manchen Tagen geschlossen oder die Öffnungszeiten werden verringert.

Tödliche Ablenkung

Der Mangel kommt nicht überraschend. Einerseits geht die Babyboomer-Generation – zu der auch Kunz gehört – in Rente. Andererseits rücken seit Jahren zu wenige Interessenten nach. Junge Frauen und Männer wollen heute nur selten Badmeister werden. Die Bezahlung ist oft mässig, man muss arbeiten, wenn andere frei haben, und die Verantwortung ist gross. Badmeister sind Lebensretter, Organisator und Chemiker zugleich.

Und sie brauchen im Umgang mit den Gästen gute Nerven. «Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll geworden», sagt Kunz. Besonders das Smartphone macht den Schwimmmeistern zu schaffen. Der Blick vieler Eltern klebe am Bildschirm, sobald sie die Badi betreten würden, sagt Kunz. «Beinahe täglich muss ich Mütter oder Väter darauf aufmerksam machen, auf ihren Nachwuchs zu achten.»

Es sei auch schon vorgekommen, dass er Kinder aus dem Wasser ziehen musste. «Wenn man nicht aufpasst, können Unfälle passieren, die tödlich enden.» Im vergangenen Jahr sind laut Schweizerischer Lebensrettungs-Gesellschaft in hiesigen Gewässern 37 Menschen ertrunken, darunter vier Kinder. Die meisten Unfälle ereigneten sich in Seen.

Die Anzahl der «Beinahe-Ertrinkungsunfälle» dürfte ebenfalls hoch sein, gerade bei Kleinkindern. Gesicherte Zahlen gibt es zwar nicht, laut der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft dürften allerdings auf jeden Todesfall noch einmal fünf bis zehn «Beinahe-Ertrinkungsunfälle» kommen. Die betroffenen Kinder überleben häufig dank intensivmedizinischen Massnahmen, tragen jedoch oft Langzeitschäden davon. Kunz appelliert deshalb an alle Eltern: «Behaltet eure Kinder im Blick, egal ob im See oder in der Badi.»

Handyverbot gefordert

Der Lebensretter spricht sich für ein Handyverbot in Badis aus – zumindest direkt am Wasser. Das könne die Situation verbessern. Allerdings sei ein Verbot in den Hallen- und Freibädern schwierig umzusetzen. «Wir können nicht allen Gästen in die Taschen schauen», sagt Kunz.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Buben und Mädchen heute weniger gekonnt im Wasser bewegen als noch vor zehn Jahren. «Die Schwimmfähigkeit der Kinder hat abgenommen», sagt Kunz. Dass liege unter anderem an der Migration. «Je nach Kultur haben einige Kinder nie schwimmen gelernt.»

Allerdings kann es an hiesigen Schulen ebenfalls zu Schwierigkeiten kommen. Zwar sollten gemäss dem neuen Lehrplan 21 alle Kinder fähig sein, sich ohne Hilfe eine Minute über Wasser zu halten. Doch nicht überall ist es einfach, einen geeigneten Ort für den Unterricht zu finden. «Es gibt Schulen, für die ist das nächste Hallenbad kilometerweit weg», sagt Kunz. Doch schwimmen zu lernen, bleibe essenziell. Damit Kinder bei 36 Grad tatsächlich ins Wasser können.