Der neue Bundesratspräsident erlebt ausgerechnet vor seiner Krönung die empfindlichste Niederlage seines Politlebens.
Alain Berset führte schon immer ein Leben auf der Überholspur: Als Jugendlicher war er Westschweizer Meister im 800-Meter-Lauf und lief auch an der berühmten «Athletissima» in Lausanne auf. Er improvisiert auf dem Klavier virtuos und verdiente sich auf einer Südamerika-Reise seine Brötchen als Bar-Pianist. Vor allem kannte seine politische Karriere immer nur eine Richtung: nach oben.
Im zarten Alter von 28 Jahren vertrat Berset die SP im Verfassungsrat des Kantons Freiburg. «Ich kann mich noch gut erinnern, wie er gleich bei der ersten Sitzung das Wort an sich riss und überaus überzeugend auftrat», erinnert sich der damalige Staatsrat Pascal Corminbœf. Bersets rhetorisches Talent und seine Verbundenheit zum ländlichen Teil des Kantons Freiburg – er wuchs in der 3000-Seelen-Gemeinde Belfaux auf, wo er noch immer wohnt – verhalfen ihm 2003 zur Wahl in den Ständerat, ohne den sonst üblichen Weg über den Nationalrat absolviert zu haben. Da war Berset 31 Jahre alt. Dass der dreifache Familienvater acht Jahre später in den Bundesrat gewählt wurde, wirkt wie der logische nächste Schritt einer Karriere, die ohne grösseren Makel auskam.
Die Krönung davon hätte nächstes Jahr stattfinden sollen – am Mittwoch der zweiten Sessionswoche wird Berset nämlich zum Bundespräsidenten 2018 gewählt. Ausgerechnet diesen Herbst hat der mittlerweile 45-Jährige aber die bislang empfindlichste Niederlage seiner Politlaufbahn einstecken müssen: Am 24. September scheiterte die «Altersvorsorge 2020» an der Urne überraschend deutlich. Die gleichzeitige Reform von erster und zweiter Säule war Bersets wichtigstes Projekt, in das er sechs Jahre und unzählige Auftritte investiert hatte. Der sendebewusste Magistrat gab sich nach dem Genickschlag betont motiviert, eine nächste Reform aufzugleisen – ob dannzumal diese von Erfolg gekrönt sein wird, ist aber noch völlig offen. Die Eckwerte präsentiert er wohl noch im Präsidialjahr.
Dass er hingegen als oberster Repräsentant der Schweiz eine gute Falle machen wird, daran zweifelt kaum jemand: Berset ist eloquent, er denkt blitzschnell und liebt den staatsmännischen Auftritt. Um für die Doppelbelastung von Departementsführung und Präsidentschaft genügend Schnauf zu haben, dürften ihm wiederum die Erfahrungen aus der sportlichen Jugend hilfreich sein.