Nachdem die Schweizer Diplomatie in der Befreiung der zwei Geiseln in Lybien keinen Erfolg verzeichnet, stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Ist die Geiselfrage ein Thema für den UNO-Sicherheitsrat? Gleichzeitig behauptet Miguel Stucky, der Lausanner Arbeitgeber der in Lybien festgehaltenen Geisel Rachid Hamdami, die Veröffentlichung der Polizeiphotos von Hannibal Ghadafi sei schuld an der misslungenen Ausreise der Geiseln.
In einem offenen Brief an Genfs Justizdirektor Laurent Moutinot (SP), den die «Tribune de Genève» und die «Liberté» publizierten, kritisierte der Präsident und Mehrheitsaktionär der Misurata Cement Terminal FZC das Verhalten Genfs bei und seit der vorübergehenden Verhaftung von Hannibal und Aline Ghadhafi im Juli 2008.
Als Direktbeteiligter erlebte Stucky die dramatische Abfolge der Ereignisse nach dem Besuch von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz am 20. August in Tripolis. Nach seiner Darstellung waren Anfang September alle Hürden beseitigt, damit die zwei Schweizer ausreisen konnten. Sie hatten ihre Pässe wieder. Stucky hatte die umgerechnet 900 000 Franken organisiert, welche die libysche Justiz als Kaution für die wegen Visavergehen beschuldigten Schweizer verlangte.
Am Sonntag, 30. August, trugen die beiden dieses Geld auf sich, als sie der Generalstaatsanwalt am Vormittag vorlud, und wie die «Tribune de Genève» in ihrer Donnerstagsausgabe vermeldete. Plätze in einer Alitalia-Maschine um 14 Uhr waren ebenfalls gebucht. Der Staatsanwalt nahm das Geld aber nicht an und sagte den Schweizern, sie sollten nach den Feiertagen wegen des 40. Jahrestags der libyschen Revolution und des Endes des Ramadans (4. September) wieder kommen. Die Ausreise der Geiseln wurde schliesslich auf den 6. September festgelegt. Doch auf Intervention von oben wurde sie plötzlich gestoppt.
«Niemand konnte das verstehen, weder die Geiseln noch die Mitarbeiter der Schweizer Botschaft», sagt Miguel Stucky. Heute erklärt er dies mit der Wut der Familie Ghadhafi, dass Genfer Polizeifotos von Hannibal Ghadhafi in die Presse gelangt waren.
Der im August geschlossene Vertrag mit Lybien sah die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Lybien vor - bis zum 20. Oktober. Im härtesten Fall könnte die Schweiz nun die Geiselnnahme als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit werten. Sie hätte so die Möglichkeit, ein Begehren an den UNO-Sicherheitsrat zu stellen, dich des Themas anzunehmen. im Rat, in dem zur Zeit auch Lybien sitzt, müssten sich neun Mitglieder dafür aussprechen, das Thema zu behandeln.
Dass der Sicherheitsrat sich des Themas annehmen würde, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Individuelle Geiselfälle behandelt er üblicherweise nicht.