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Schweiz
Adolf Ogi war jahrelang Otto Stichs poltische Zielscheibe. Von sechs Bundesräten und einem Skilehrer, lästerte Stich. Ogi über das schwierige Verhältnis zum heute verstorbenen Kollegen Stich. Freude herrschte vor allem bei gemeinsamen Jassrunden
Herr Ogi, mit Otto Stich ist einer Ihrer grossen politischen Widersacher gestorben. Wie war Ihre Beziehung zuletzt?
Adolf Ogi: Wir haben uns immer wieder gesehen, zuletzt bei der Zusammenkunft der ehemaligen und aktiven Bundesratsmitglieder. Zwischen uns bestand eine gewisse Verbundenheit.
Inwiefern?
Beide stammen wir aus einfachen Verhältnissen. Otto Stich war wie ich Alpinist. Immerhin war er Teilnehmer des allerersten Schweizerischen Jugendskilagers in Pontresina 1941, das General Henri Guisan persönlich eröffnete.
Wie bleibt Ihnen Otto Stich in Erinnerung?
Er war ein guter Finanzminister, der nahe an der Bevölkerung politisierte. Mir bleiben auch seine Beharrlichkeit und sein wahnsinnig unabhängiger Geist in Erinnerung.
So unabhängig, dass er sich gegen den Willen und zum Ärger seiner Partei, der SP, von den Bürgerlichen in den Bundesrat wählen liess.
Weil er nicht der offizielle Kandidat war, hatte es Otto Stich nicht einfach im Bundesrat. Doch obwohl er gegenüber der EU sehr skeptisch eingestellt war - bei diesem Thema vertrat er eine ähnliche Linie wie Christoph Blocher - hat er seine Partei gut vertreten. Zum Beispiel in seinem Einsatz für die sozial Benachteiligten.
Sie selber schrieben nicht Otto Stich auf den Wahlzettel, als Sie als Nationalrat über die Nachfolge Willi Ritschards mitbestimmen sollte. Sie stimmten für Lilian Uchtenhagen, die offizielle Kandidatin der SP.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Otto Stich mir das nie vergessen hat. Er hatte ein unglaublich gutes Gedächtnis und wusste genau, wer im Parlament nicht für ihn gestimmt hatte.
Später wurden auch Sie in den Bundesrat gewählt. Doch politisch hatten Sie und Otto Stich das Heu selten auf derselben Bühne. Etwa bei der Neat: Hier der feurige Verfechter eines gleichzeitigen Baus von Lötschberg- und Gotthard-Basistunnel Adolf Ogi, da Finanzminister Otto Stich, der ein finanzielles Debakel befürchtete. Ihr Herz musste doch bluten.
Sehen Sie: Wir hatten zwei unterschiedliche Rollen in der Landeregierung. Als Finanzminister musste er seine Rolle spielen und hat später viel bewirkt, als es um die Finanzierung der Neat ging. Man darf auch nicht vergessen: Hinter ihm standen sehr gute Mitarbeiter. Überhaupt war Otto Stich sehr geschickt in der Auswahl seiner Mitarbeiter.
Doch der Konflikt zwischen Ihnen und ihm eskalierte medial. Er gipfelte darin, als Otto Stich sagte, Sie seien schuld daran, dass die Landesregierung ungenügend zusammenarbeite. Von Ihnen sprach er vom «Skilehrer». Hat Sie das gekränkt?
Es gab solche Momente, die einen kränken konnten. Doch Otto Stich hat sich für diese Bemerkung bei mir bei einem leckeren Nachtessen entschuldigt. Die Sache war danach gegessen. Sehen Sie: Trotz der harschen Worte war der Bundesrat bisweilen sogar eine ganz lustige Runde. Zum Beispiel, wenn wir zusammen jassten.