Wortbruch
Abzocker-Initiative: Blochers Versprechen gilt nicht mehr

Thomas Minder hat mit Christoph Blocher einst einen Pakt zur Abzocker-Initiative geschlossen. Entgegen seinem Versprechen wird Blocher Minders Intiative nun nicht Unterstützen, wenn es zur Abstimmung kommt.

Doris Kleck
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Vor zwei Jahren waren sie sich noch grün: Christoph Blocher und Thomas Minder informierten gemeinsam über die «Abzocker»-Initiative.KEY)

Vor zwei Jahren waren sie sich noch grün: Christoph Blocher und Thomas Minder informierten gemeinsam über die «Abzocker»-Initiative.KEY)

«Pacta sunt servanda – von einem Alt-Justizminister erst recht», schrieb Claudio Kuster, Co-Initiant der Abzocker-Initiative kürzlich in einem Leserbrief in der «NZZ». Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten: Es war eine öffentliche Schelte seitens des Initiativkomitees an die Adresse des SVP-Nationalrates Christoph Blocher. Sie sollte ihn an ein Versprechen erinnern, das Blocher am 10. Februar 2010 gab.

An jenem Mittwoch gab KMU-Rebell Thomas Minder eine viel beachtete Medienkonferenz – flankiert von den SVP-Granden Christoph Blocher, Toni Brunner und Caspar Baader. Das ungleiche Quartett verkündete einen Einigungsvorschlag zur Abzockerinitiative. Mehrmals waren in den zwei Monaten zuvor Minder und Kuster nach Herrliberg gefahren, um einen Kompromissvorschlag auszuarbeiten.

Auf langen Spaziergängen an kalten Wintertagen nahm Blocher Minder ins Gebet. Anstrengend soll es gewesen sein. Doch die Ausdauer Blochers zahlte sich aus. Der Schaffhauser Mundwasserproduzent, der einen Rückzug immer kategorisch ausschloss, machte mit Blocher einen Pakt: Wenn der Einigungsvorschlag im Rahmen eines indirekten Gegenvorschlags im Parlament durchkommt, lässt Minder seine Initiative fallen. Und wenn nicht? «Dann werden wir die Abzockerinitiative unterstützen», teilte Christoph Blocher am 10. Februar 2010 einer verdutzten Öffentlichkeit mit.

Keine Unterstützung mehr

Blocher liess mit diesem Deal seine politischen Gegner wie Schulbuben aussehen. Als «Coup», «Meisterstück» oder «Machtdemonstration» wurde Blochers Schachzug betitelt. Die SVP schien einen Weg gefunden zu haben, eine Abstimmung über die Abzockerinitiative und damit eine innerparteiliche Zerreissprobe zu verhindern. Zudem besetzte die SVP ein Feld, das sie zuvor fahrlässig der Linken überlassen hatte. Entsprechend pikiert reagierte die SP. Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer konstatierte: «Er ist eingeknickt und hat alle Glaubwürdigkeit verspielt. Minder hat sich unmöglich gemacht.»

Minders Kehrtwende erstaunte Bundesbern. Die Gerüchte hielten sich hartnäckig, dass Minder das nötige Geld für einen Abstimmungskampf fehle. Und dass er nicht alleine mit der von ihm ungeliebten SP in den Abstimmungskampf ziehen wolle.

Finanzierung und Koalitionen im Abstimmungskampf: Mit diesen Fragen sieht sich das Initiativkomitee mehr als zwei Jahre später wieder konfrontiert. Das Parlament hat im Rahmen der Aktiengesetzrevision einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet und die Bonussteuer versenkt. Nun muss das Initiativkomitee bis zum 28. Juni entscheiden, ob es die Initiative zurückzieht oder nicht. Klar ist: Kommt es zur Abstimmung, wird Christoph Blocher die Initiative nicht unterstützen – entgegen seinem Versprechen, das die SVP-Fraktion dannzumal einstimmig unterstützte.

Minder setzt auf die Basis

«Die Frage ist, ob der Einigungsvorschlag durchgekommen ist oder nicht», sagt Blocher heute vielsagend. Der SVP-Nationalrat argumentiert, dass der Gegenvorschlag 80 Prozent der Forderungen der Initianten beinhalte. «Uns war beiden bewusst, dass wir den Einigungsvorschlag nicht hundertprozentig durchbringen werden», sagt Blocher und will von Wortbruch nichts wissen.

Der Einigungsvorschlag setzte sich allerdings in zwei zentralen Punkten nicht durch. So war die Forderung, dass die Generalversammlung über die Löhne der Geschäftsleitung abstimmen muss, für Minder immer ein «Pièce de Résistance». Der indirekte Gegenvorschlag sieht nun aber vor, dass in den Statuten festgelegt werden soll, ob die Beschlüsse der Generalversammlung in dieser Frage bindend oder nur konsultativ sind. Eine Hintertür offen lässt der Gegenvorschlag auch bei der jährlichen Wahl der Verwaltungsräte: Die Statuten können in diesem Punkt etwas anderes vorsehen. Dass sich Blocher nicht daran stört, irritiert deshalb, weil er diese Forderung bereits als Justizminister durchsetzen wollte.

«Es kann zum Wortbruch kommen», sagt Minder zu Blochers Meinungsumschwung, «doch das ist Politik.» Falls es eine Abstimmung gebe, interessiere ihn nicht mehr die Meinung Blochers und der SVP-Fraktion, sondern diejenige der SVP-Delegierten. «Die Basis tickt anders als das Establishment, dem auch Blocher angehört.» Fast tönt es, als habe sich Minder bereits gegen einen Rückzug entschieden – und die wöchentlichen Anrufe Blochers wirkungslos verhallt sind.