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Die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Zollreduktion beim Palmöl sei ein Meilenstein, sagt Elisabeth Bürgi Bonanomi. Jetzt müsse der Fokus auf der Umsetzung liegen: «Es ist wichtig, die Idee nicht zu verspielen.»
Das Abstimmungsresultat fiel sehr knapp aus. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht?
Elisabeth Bürgi Bonanomi: Zunächst muss ich sagen: Es hat mich gefreut, dass es zu dieser Abstimmung gekommen ist. Bisher wurde nicht über Handelsabkommen abgestimmt. Es ist eine Bereicherung, wenn solche Fragen mit der Bevölkerung diskutiert werden. Jetzt wird es wichtig sein zu schauen, wie die Umsetzung ausfällt. Grundsätzlich braucht es Abkommen, um den Handel nachhaltiger zu gestalten.
Erstmals knüpft ein Abkommen Zollerleichterungen an Nachhaltigkeitskriterien. Ist das ein Meilenstein, wie es die Befürworter sagen?
Ja, das ist es, wenn man es handelsrechtlich anschaut; auch wenn der Ansatz nur für Palmöl-Importe gilt. Diese Forderung nach ‹Produktedifferenzierung› –wie wir in der Wissenschaft sagen - gibt es schon lange, nun gibt es erstmals eine solche Verknüpfung. Das könnte eine Dynamik auslösen, etwa wenn auch die EU bei ihren Verhandlungen mit Indonesien diesen Ansatz übernimmt. Was es konkret für dieses Abkommen bringt, hängt von der Umsetzung ab.
Sind Sie diesbezüglich skeptisch?
Die Wirkung des gewählten Ansatzes steht und fällt mit der Umsetzung. Es ist wichtig, die Idee nicht zu verspielen. Im Fokus steht der Artikel 6 der Verordnung, die derzeit in Konsultation ist. Darin geht es um die Überprüfung der Zertifizierungssysteme. Es ist zentral, den Prozess transparent und inklusiv zu gestalten, also den dort erwähnten Einbezug von Zivilgesellschaft und Expertinnen ernst zu nehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat kürzlich auch neue Entwicklungsgelder für Indonesien gesprochen. Auch hier ist wichtig, dass das Geld wirksam in Umstellungsprozesse vor Ort investiert wird.
Was könnte das Resultat für künftige Abkommen bedeuten?
Beim Abkommen mit Malaysia scheint mir klar, dass beim Palmöl der gleiche Ansatz gewählt werden muss wie bei Indonesien. Die Frage ist, ob Malaysia dies akzeptiert. Beim Mercosur-Abkommen ist es schwieriger, weil dieses bereits fertig verhandelt ist. Man müsste die Verhandlungen also wieder öffnen. Diese Debatte wird sicher kommen, etwa bezüglich Soja, Gold oder Rindfleisch. Klar ist aber auch: Solche Nachhaltigkeitsverpflichtungen sind nicht gratis zu haben, die Schweiz muss im Gegenzug Zugeständnisse machen. Die Abstimmung vom Sonntag könnte hier aber helfen.
Inwiefern?
Ich gehe davon aus, dass wir auch über künftige Handelsabkommen abstimmen werden. Das Parlament hat lange darüber diskutiert, ob es solche Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellen soll. Ich glaube, hier kann man nun nicht mehr zurück.
Stärkt das die Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit?
Auf jeden Fall. Es stärkt der Schweiz bei den Verhandlungen auch den Rücken, wenn sie darauf hinweisen kann, dass das Abkommen an die Urne kommen könnte.
Wie sehen Sie generell die Zukunft von Freihandelsabkommen?
Heute wird vor allem bilateral verhandelt, das führt zu einem Stückwerk. Es wäre wichtig, die Verhandlungen wieder vermehrt auf die multilaterale Ebene zu tragen. Die bilateralen Abkommen sind auch etwas ‹Experimentierfelder›; innovative Ansätze können entwickelt werden, wie eben hier mit Indonesien. Wenn diese innovativen Ansätze von der Welthandelsorganisation WTO übernommen würden, könnte es ein Momentum für nachhaltige Handelsregeln auf globaler Ebene geben. Das könnte wichtige Handelsanreize setzen, die zur Lösung anstehender Krisen –wie der Klimakrise - dringend nötig sind.
Elisabeth Bürgi Bonanomi ist Rechtswissenschafterin und forscht an der Universität Bern zum Thema Recht und nachhaltige Entwicklung.