Das Bundesamt für Migration hat alle Sonderflüge für renitente Asylbewerber ausgesetzt. Das will die Aargauer Politik nicht einfach so hinnehmen.
Mitte März starb ein 29-jähriger nigerianischer Asylbewerber kurz vor dem Sonderflug zurück in sein Heimatland. Daraufhin stellte das Bundesamt für Migration sämtliche Sonderflüge für Rückschaffungen renitenter Asylbewerber ein.
Für Politiker aus dem Kanton Aargau ein unhaltbarer Zustand: «Die Sonderflüge sind umgehend wieder einzusetzen», fordert SVP-Politiker Andreas Glarner gegenüber «a-z.ch». Glarner bedauert zwar den Todesfall des Nigerianers, «doch das ist kein Grund die Sonderflüge auszusetzen. Schliesslich können Unfälle nie ausgeschlossen werden.» Zudem ist Glarner der Ansicht, dass es nicht zu Zwischenfällen kommen würde, wenn sich die Asylbewerber bei der Ausschaffung anständig benähmen. «Leider benehmen sich die Asylbewerber aber teilweise wie die Schweine».
So würden sich die Asylbewerber auf den Stühlen der Flugzeuge teilweise erleichtern. Auch FDP-Ständerätin Christine Egerszegi kann die Aussetzung der Sonderflüge schwer nachvollziehen: «Der neue Direktor des Bundesamts für Migration war beim Zwischenfall dabei. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass er keine Sonderflüge mehr will, bis die Unfallursache genau geklärt ist.»
Nichtsdestotrotz fordert die Ständerätin, die Sonderflüge umgehend wieder einzusetzen. «Nächste Woche haben wir eine Kommissionssitzung im Parlament. Dort will ich wissen, wie es in dieser Sache weitergeht.»
In Zürich warten 10 Nigerianer auf Sonderflug
Derweil zeigen Recherchen von «a-z.ch», dass der Kanton Zürich von der Aussetzung der Sonderflüge betroffen ist. So erklärt Bettina Dangel vom Migrationsamt des Kantons Zürich, dass vor zwei Wochen zehn Nigerianer per Sonderflug ausgeschafft werden sollten. Die inhaftierten Nigerianer sitzen teilweise seit Juli 2009 in Ausschaffungshaft am Flughafen Zürich. Neun von ihnen sind vorbestraft. «Sieben Personen haben gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen.
Zwei weitere haben sich der Ausweisfälschung schuldig gemacht». Die Nigerianer wurden inzwischen der Botschaft vorgeführt. Dort erhielten sie die Zusicherung, dass die nigerianische Regierung für die Asylbewerber Ersatzpapiere beschafft, um sie nach Afrika zurückführen zu können. Bettina Dangel bestätigt aber auch, dass der Kanton Zürich keinen Grund sieht, die Nigerianer auf freien Fuss zu setzen. In einem anderen Fall musste ein Westschweizer Kanton nach Aussetzung der Sonderflüge Ausschaffungshäftlinge freilassen, die gegen Schweizer Gesetze verstiessen und beruft sich dabei auf Schweizer Bundesgesetze.
Äthiopier will nicht gehen
Im Gegensatz dazu ist der Kanton Aargau von Verordnung des Bundes vorerst noch nicht betroffen ist. «Gegenwärtig hat das Migrationsamt des Kantons Aargau gegenüber fünf Personen Haft angeordnet», bestätigt Markus Rudin, Amtsleiter des Migrationsamtes des Kantons Aargau. Darunter befindet sich seit Februar 2009 ein äthiopischer Staatsbürger. Dieser weigert sich trotz vorhandenen Reisedokumenten, den ordentlichen Ausschaffungsflug anzutreten.«Ein Sonderflug wäre hier erforderlich», sagt Rudin.
Das Problem: Äthiopien akzeptiert keine Sonderflüge. Deshalb ordnete das Migrationsamt des Kantons Aargau eine Durchsetzungshaft an. Bei dieser Haftart wird vorausgesetzt, dass der Versuch der ordentlichen Ausschaffung aufgrund des persönlichen Verhaltens der betreffenden Person nicht durchgeführt werden kann. Somit hofft das Migrationsamt des Kantons Aargau mit der Durchsetzungshaft das Verhalten des renitenten Asylbewerbers zu ändern.
Darum gibt es Sonderflüge:
Lehnt ein Kanton das Asylgesuch einer Person ab, muss die Person in sein Heimatland zurückkehren. Dies geschieht in der Regel mit normalen Linienflügen. Ist zu erwarten, dass Asylbewerber auf dem Linienflug körperlichen Widerstand leistet und somit der Transport mit einem Linienflug nicht möglich ist, ist ein Sonderflug nötig. Dabei wird der renitente Asylbewerber von mindestens zwei Polizeibeamten begleitet. Bei der Rückführung können Handfesseln oder andere Fesselungsmittel und körperliche Gewalt eingesetzt werden. Der Kanton Aargau war 2008 und 2009 an je zehn Sonderflüge beteiligt. Ist ein Vollzug der Ausschaffung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar, ist dies gemäs den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer ein Grund für eine Haftbeendigung. Dies ist dann der Fall, wen eine Wegweisung in absehbarer Zeit und mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht vollzogen werden kann.
Wie Rudin weiter ausführt, handelt es sich bei den übrigen Ausschaffungshäftlingen um Personen aus Kamerun, Mali, Irak und Bosnien-Herzegowina. «Die gegenwärtig inhaftierten Personen sind nicht wegen Widerhandlungen gegen Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes oder Körperverletzung vorbestraft».
Bei den Aargauer Asylbewerbern wurde lediglich das Asylgesuch abgelehnt. Zudem befänden sich die Personen in Haft, da Fluchtgefahr bestehe. Rudin betont allerdings, dass die Asylbewerber die Heimreise im Linienflug antreten könnten. Deshalb sieht das Migrationsamt im Gegensatz zur Westschweiz keinen Grund die Asylbewerber freizulassen, da lediglich die Sonderflüge sistiert wurden. Nun wartet der Kanton Aargau auf die Ausstellung der Reisedokumente. «Eine Person wird innerhalb der nächsten acht Tagen in den Herkunftsstaat zurückgeführt. Bei den übrigen Inhaftierten steht zurzeit nicht fest, wie lange die Haft noch andauert», sagt Rudin.
SVP Aargau will handeln
SVP-Grossrat Glarner will jedoch nicht mehr länger auf die Wiedereinsetzung der Sonderflüge warten. «Die SVP Aargau bereitet einen Vorstoss vor. Wir verlangen vom Regierungsrat des Kantons Aargau, dass dieser beim Bund um die Wiedereinsetzung der Sonderflüge ersucht. Ausserdem sehe ich nur einen Weg, wie der Äthiopier nach Hause geschickt werden kann: Die Schweiz stellt die Entwicklungshilfe für dieses Land ein, dann wird Äthiopien umgehend Sonderflüge akzeptieren.»