Dass er gleich die Nationalrats- und die Bundespräsidentin stellt, ist einmalig. Überhaupt war der Aargau in den höchsten politischen Führungspositionen des Landes bisher nicht gerade übervertreten.
Urs Moser
Gestern wurde Pascale Bruderer zur Nationalratspräsidentin und damit zur «höchsten» Schweizerin gewählt. Eine Ehre, die seit der Gründung des Bundesstaats 1848 erst elf Parlamentariern und einer Parlamentarierin aus dem Aargau zuteil wurde.
Entsprechend stolz gratulierte gestern die Aargauer Regierung zur Wahl der jüngsten Nationalratspräsidentin aller Zeiten. Bis vor ihr Christine Egerszegi zur Nationalratspräsidentin 2007 gekürt wurde, hatte es nicht weniger als 55 Jahre gedauert, bis der Aargau wieder einmal zum Handkuss kam.
Der letzte Aargauer Nationalratspräsident vor ihr war Karl Renold, der die grosse Kammer 1952 präsidierte. Der SVP- bzw. damals noch BDP-Vertreter sass von 1942 bis 1959 im Nationalrat, er verstarb im Amt. Einen Namen hatte sich der einstige Staatsschreiber des Kantons Aargau schon vor seiner Wahl in den Nationalrat unter anderem als Präsident des Aktionskomitees für Wehranleihen zur Rüstungsfinanzierung gemacht.
Dass Christine Egerszegi als erste Aargauerin auf dem «Bock» Platz nehmen konnte, hatte sie übrigens einem Rösti-Grabenkampf innerhalb der freisinnigen Bundeshausfraktion zu verdanken. Als im Jahr 2000 die FDP die Nomination für das zweite Vizepräsidium und damit den designierten Nationalratspräsidenten 2003 vornahm, hatte sich eigentlich Ulrich «Atomueli» Fischer beste Chancen für das Amt ausgerechnet. Er unterlag aber schliesslich in der internen Ausmarchung dem Waadtländer Yves Christen.
Als «Sympathiekundgebung für die Westschweizer Parteikollegen» interpretierte die damalige Fraktionschefin Christine Beerli den Entschweid. Yves Christen selbst mutmasste eher, die Parteikollegen hätten für das Wahljahr 2003 wohl lieber einen Progressiven statt einen Konservativen auf dem Präsidentenstuhl gesehen.
Leuthard in Schaffners Fussstapfen
Fast so lange wie auf das Nationalratspräsidium mussten die Aargauer darauf warten, dass sie wieder einmal den Bundespräsidenten bzw. mit Doris Leuthard nun die erste Aargauer Bundespräsidentin stellen können. Erst vier Bundesräte stellte der Kanton vor ihr. Der erste, Emil Welti, hatte das Bundespräsidium in seiner Amtszeit von 1866 bis 1891 dafür nicht weniger als sechs Mal inne.
Der letzte Aargauer Bundespräsident war 1966 Hans Schaffner. Er hatte keine ausserordentlich lange Amtszeit als Bundesrat (gewählt 1961, zurückgetreten 1969) und amtete nur einmal als primus inter pares der Landesregierung. Nichtsdestotrotz gehörte der 2004 im Alter von 96 Jahren verstorbene Schaffner zu den prägenden Figuren der neusten Schweizer Geschichte.
Noch als Chefbeamter und später als Wirtschaftsminister galt er als einer der Initianten und starken Figuren der Freihandelszone Efta. Doris Leuthard tritt also in jeder Beziehung in seine Fussstapfen: als erste Bundesrätin, Wirtschaftsministerin und Bundespräsidentin aus dem Aargau seit Schaffner.
Folgt Reimann auf Reimann?
Obwohl sie den viertgrössten Kanton repräsentieren, haben es die Aargauer Vertreter in der Bundespolitik nicht einfach, sich für die höchsten Weihen zum empfehlen. Sollte sich Maximilian Reimann 2011 im Alter von 69 Jahren noch einmal zur Wahl stellen wollen und sie gewinnen, würde der Aargau 2013 voraussichtlich auch den Ständeratspräsidenten seit langem wieder einmal stellen können.
Die Kleine Kammer wurde seit Bestehen des Bundesstaaats 1848 erst neun Mal von einem Aargauer präsidiert. Letztmal übrigens - nomen est omen - 1978 von Robert Reimann. Anders als 2003 beim Nationalratspräsidium ein Grabenkampf in der freisinnigen Bundeshausfraktion könnte hier allerdings eine Auseinandersetzung innerhalb der Aargauer SVP die Suppe versalzen. Es gibt durchaus Stimmen, die meinen, es sei für Reimann an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen.