Hilfsprogramm
50'000 Franken in zwanzig Minuten: So einfach konnte ein Corona-Betrüger den Bund abzocken

Um Firmen vor dem finanziellen Ruin in der Corona-Krise zu retten, hat der Bund Milliarden an Hilfskrediten vergeben. Das hat auch Betrüger angelockt. Wie einfach das gehen kann, erklärt ein Betrüger.

cki/watson.ch
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Es ist ganz einfach: Formular ausfüllen, Zahlen erfinden, Geld einstecken.

Es ist ganz einfach: Formular ausfüllen, Zahlen erfinden, Geld einstecken.

Walter Schwager

Im März stellte Finanzminister Ueli Maurer das Corona-Hilfsprogramm der zinslosen Hilfskredite vor. Es sollte Firmen, die wegen des Corona-Lockdowns in finanzielle Gefahr geraten, aus der Patsche helfen. Maurer versprach, dass das System sicher sei und Betrug praktisch ausgeschlossen.

Doch so sicher ist das Programm nicht. Ein Corona-Betrüger hat dem Tages-Anzeiger anonym erzählt, wie er die Soforthilfe ausgenutzt und ohne Mühe tausende Franken bekommen hatte. «Die 50’000 Franken hatte ich in zwanzig Minuten», erzählt der Betrüger dem «Tagesanzeiger».

Weil der Bund auf unkomplizierte und schnelle Abwicklungen Wert legt, um Firmen in der Coronakrise zu helfen, ist der Weg zu einem Covid-19-Kredit einfach. Man muss nur ein Formular ausfüllen und schwupps: Die Bank überweist einen zinsfreien Kredit bis zu 500'000 Franken. So zumindest funktionierte das gemäss den Aussagen des Corona-Betrügers.

Vasily A. ist bereits aktenkundig

Für seine IT-Firma, hinter der nicht mehr als eine vage Idee steckte, wollte er einen 50'000 Franken Corona-Hilfskredit. Im Formular gibt er beim Umsatz 500'000 Franken an – eine reine Fantasiezahl.

Doch nicht nur das ist faul an seinem Antrag: Hätte die Bank einen Auszug aus seinem Strafregister verlangt, hätte sie entdeckt, dass er bereits mit Rauschgift gehandelt und diverse Betrugsdelike, Urkundenfälschung und Misswirtschaft im Zusammenhang mit Konkursen hinter sich hat. «Meine Masche war einfach: Du übernimmst eine Firma, kaufst auf Rechnung Waren ein, verkaufst diese Waren und schickst die Firma dann in den Bankrott», sagt er.

Deswegen war er umso überraschter, als ihm die Postfinance den Kredit nach zwanzig Minuten gutgeschrieben hatte. «Ohne Vorlage eines Betreibungsregisterauszugs weder von meiner Firma noch von mir», erzählt er.

Einige meiner Freunde haben sich dann mit dem Geld Luxusautos gekauft

Kurz darauf habe er fast den ganzen Betrag abgehoben. Danach meldete er seine IT-Firma Konkurs an. Als das Bezirksgericht wissen wollte, wofür er den Corona-Kredit verwendet hatte, gab er als Grund die Rückzahlung von Schulden an. Dem Tagesanzeiger erzählt er, was er damit wirklich gemacht hatte. Das Geld habe er, neben einiger privaten Käufe, investiert. Für was, will er nicht sagen. Er werde es zurückzahlen, verspricht er.

Andere seiner Freunde hätten das auch gemacht, erzählt er. Einer davon habe sich sogar die Höchstsumme von 500’000 Franken von seiner Bank geholt – ohne die Vorlage irgendwelcher Dokumente. «Einige haben sich dann mit dem Geld Luxusautos gekauft». Wenn man das Geld bis zum Ende der Laufzeit zurückzahle, hätte man mit keinen Problemen zu rechnen. «Tut man das, ist ein Covid-Kredit allemal billiger als ein Autoleasing», sagt Vasily.

Mehrere hundert Betrugs-Fälle hängig

Wer bei den Corona-Anträgen falsche Angaben macht, hat mit einer Busse von bis zu 100'000 Franken und bis zu 5 Jahren Haft zu rechnen. Wer solche Betrüge auffliegen lässt, sind die Banken. Sie prüfen zwar die Anträge nicht, aber melden ungewöhnliche Kontoaktivitäten der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Diese habe aufgrund von Bank-Meldungen bereits 534 Anzeigen wegen Betrugsverdacht bei den zuständigen Ermittlungsbehörden erstattet.

Im Kanton Zürich sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft 98 Ermittlungen hängig. Die mutmassliche Deliktsumme betrage 20,5 Millionen Franken. In St.Gallen sind es 14 Fälle, in Bern 37. Basel-Stadt meldet rund 30 Fälle mit einer Schadenhöhe von rund 6 Millionen Franken.

Zum Vergleich: Zwischen Ende März und Ende Juni haben in der Schweiz insgesamt 136'250 Unternehmen Hilfskredite von knapp 17 Milliarden Franken bezogen.