Zur Waffensammlung im Schloss Grandson gehört eine kleine Sportarmbrust. Sie wurde vom 1992 mit 86 Jahren verstorbenen Wynauer Gottfried Reber gebaut.
Irmgard Bayard/German Heiniger
«Ja, ich kann mich noch sehr gut an seine selbstgebauten Armbruste erinnern. Ich besitze selbst eine», sagt Marie-Anne Reber. Sie ist die ehemaligen Schwiegertochter von Gottfried Reber aus Wynau. Von ihm stammt eine Sportarmbrust mit der Aufschrift «G. Reber Wynau 50». Sie wurde im Oktober 1998 von der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG erstanden und gehört seither zum Bestand der Waffensammlung auf Schloss Grandson. «Im Zuge der Erfassung und Dokumentation aller Objekte wurde zu diesem Stück nachgeforscht und durch einen ungewöhnlichen Zufall konnte die Geschichte eines interessanten Menschen recherchiert werden», schreibt Jens Sensfelder im Ausstellungskatalog zu «Gottfried Reber - ein Schweizer Armbrustmacher im 20. Jahrhundert». Der Deutsche gilt als einer der Armbrustspezialisten weltweit.
Handwerker und Tüftler
Der am 14. März 1906 im Kanton Luzern in eine Bauernfamilie geborene Gottfried Reber, genannt «Räber Godi», zog nach der Rekrutenschule mit seiner Familie, die einen Hof bewirtschaftete, nach Ober-Wynau. Da man in der Landwirtschaft zuwenig verdiente, schaute er sich nach einer anderen Arbeit um. In der Zimmerei Lemp und Andres entdeckte er schliesslich seine Liebe zum Werkstoff Holz. Seine Fertigkeiten erweiterte er beim Bau von Segelflugzeugen und später, nach seiner Heirat, beim Umbau und der Renovation seines als baufälliges Haus gekauften Eigenheimes. Dort richtete er sich eine Werkstatt ein.
Godi Reber fand eine Anstellung als Werk- und Modellschreiner in der Eisengiesserei Fulenbach. Von Beruf Zimmermann, Schreiner und Schleifer, war Reber ein Tüftler. «Er war vom Gedanken beseelt, dass alles, was von Menschen hergestellt war, auch von Menschen reparierbar sein müsse», schreibt Sensfelder über den Wynauer.
Nach der täglichen Arbeitszeit in der Fabrik beschäftigte er sich in seiner Werkstatt mit dem Schärfen von Werkzeugen. Er schoss lange Zeit als erfolgreicher 300-Meter-Schütze bei den Infanterieschützen in Wynau. 1952 trat er den Armbrustschützen Thunstetten bei, nachdem er als Gast beim Armbrust-Volksschiessen auf einer fremden Waffe prompt den Kranz schoss. Am 2. kantonalzürcherischen Armbrustschützenfest 1954 belegte er den ersten Rang, von den 150 möglichen Punkten erzielte er 149. Irgendwann in dieser Zeit begann er mit der Herstellung und dem Verkauf von Armbrüsten.
Solange er noch berufstätig war, baute er die Waffen in seiner Freizeit, nach seiner Pensionierung stellte er die Armbrüste in Vollzeit her. Für die Schäfte verwendete er Nussbaumholz, das gehobelt, gebohrt und geschnitzt wurde. Stahlteile liess Reber sich beim Dorfschmied in Kleinserie anfertigen.
Kleinarmbrust als Übungswaffe
Seine Armbrüste sind keine Match- sondern Übungswaffen für kurze Distanzen, mit denen auch oft in geschlossenen Räumen zur Kurzweil geschossen wurde. Seine Waffen waren bei den Jungschützen verbreitet, die später mit der allgemein üblichen Matchwaffe schossen, ergaben Sensfelders Recherchen. Aus diesem Grund finde man Rebers Waffen selten bei grossen Turnieren. Er selber klassifizierte sie als «Kleinarmbruste», um sie von den allgemein üblichen Ordonnanz- und Matchwaffen abzugrenzen. Reber hatte seine Armbruste fortlaufend numeriert. Insgesamt dürften etwa 100 Stück von Reber hergestellt worden sein. Der Verkaufspreis lag, je nach Modell, bei 250 Franken, wie eine von Reber ausgestellte Rechnung/Quittung vom Mai 1988 belegt.
Einzelne Exemplare von Matchwaffen, aus Rebers Fabrikation, findet man nur familienintern.
Die im Schloss Grandson ausgestellte Armbrust ist vollständig erhalten und in einem guten Zustand. Der Schaft ist aus hellem Nussbaumholz gearbeitet. Zwischen Schloss und vorderem Abschluss ist er vierkantig, zur Aufnahme des Bogens etwas verdickt. Der Stutzkolben ist mit einer geschnitzten Schnecke auf der rechte Seite verziert, eine angeschraubte Kolbenkappe aus gebläutem Stahl mit Hörnern schliesst den Schaft hinten ab. Ob die eigenwillige Schlosskonstruktion eine Schöpfung Rebers sei, könne nicht nachvollzogen werden, so Sensfelder. Ältere Waffen mit diesem Mechanismus seien bisher noch nicht dokumentiert oder in der Literatur angeführt.
Mit 86 noch in der Werkstatt
Der plötzliche Unfalltod seines zweiten Sohnes und Ehemanns von Marie-Anne Reber, Andreas, im Jahre 1984, der ein bekannter Sänger, Kommunalpolitiker und Grossrat war, bereitete ihm grosse seelische Schmerzen. Es plagten ihn Gebrechen und eine starke Schwerhörigkeit, darauf folgte bald eine zunehmende Isoliertheit und ein fortschreitender Sprachverlust. Schliesslich machte ihm Asthma das Älterwerden noch schwerer.
Am Gründonnerstag, den 16. April 1992 starb Gottfried «Godi» Reber beim Einkauf im Alter von 86 Jahren an einem Herzversagen. Bis zuletzt hatte er in seiner Werkstatt gearbeitet.