Wieder Markus Quaile im Visier

Eine Dorf-Zytig, die in Thunstetten-Bützberg verteilt wurde, wiederholt die Vorwürfe der Unabhängigen Bürger vor den Gemeinderatswahlen. Alle Dorfparteien distanzieren sich in einem Flugblatt entschieden davon.

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Solothurner Zeitung

Jürg Rettenmund

Kommentar

Das geht klar zu weit

Jürg Rettenmund

Die Unabhängigen Bürger haben an den Gemeindewahlen in Thunstetten-Bützberg teilgenommen. Eine ihrer Kandidatinnen hatte zuvor eine Beschwerde beim Regierungsstatthalter eingereicht. Dagegen ist nichts einzuwenden: Beides sind Bürgerrechte in einem demokratischen Rechtsstaat.

Trotzdem hinterliess bereits ihr Auftritt bei den Gemeinderatswahlen einen schalen Nachgeschmack: Die Beschwerde während des Wahlkampfs an die Öffentlichkeit zu zerren führte dazu, dass die Wählenden zwar die Vorwürfe kannten, aber nicht das Ergebnis der Untersuchung.

Die Bützberger und Thunstetter trugen dem bei ihrer Stimmabgabe Rechnung: Mit einem sehr schlechten Resultat wiesen sie die Unabhängigen Bürger in die Schranken. So wenig Stimmen wie sie erhielt in den letzten Wahljahren keine Kleinpartei.

Damit haben sich die Wählenden deutlich stärker von den Unabhängigen Bürgern distanziert als von Markus Quaile. Dessen tiefe Stimmenzahl lässt sich zu einem guten Teil aus der kleinen Hausmacht erklären, die er mit der FDP hinter sich hat. Mit dieser steigt er nun auch mit klar schmalerer Basis in die Präsidentenwahl.

Das macht auch den Angriff der SVP zwiespältig: Ihre Stärke mit Alfred Röthlisberger auszuspielen, mag ihr gutes Recht sein. Doch dieser wird im Fall einer Wahl damit leben müssen, dass bei seinem Sieg ein anonymes Schmierentheater mitentschieden hat, das sich vor allem auf seinen Kontrahenten eingeschossen hat.

Ein Schmierentheater: Die Dorf-Zytig ist nichts anderes. Wer immer dahinter steckt: Spätestens jetzt sind sie klar zu weit gegangen.

juerg.rettenmund@mzbern.ch

Sie ist zwölf Seiten stark und wurde gemäss Angaben im Titelkopf in einer Auflage von 1500 Exemplaren gedruckt: Die neue Dorf-Zytig von Thunstetten-Bützberg. Als Verfasser gibt sich ein Verein «Bürger für Bürger» zu erkennen. Angegriffen wird vor allem Markus Quaile (FDP), der als «(Noch)Gemeindepräsident» verhunzt wird.

Inhaltlich deckt sich das Blatt weitgehend mit den Vorwürfen, die die Unabhängigen Bürger (UB) im Vorfeld der Gemeinderatswahlen vom 27. September gegen Quaile, Finanzverwalter Hanspeter May und die Leiterin des Regionalen Sozialdienstes Aarwangen, Yvonne Herren, erhoben. Diese hatte Anna Rosa Burkhardt, eine der Kandidierenden der Unabhängigen Bürger, auch in einer Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt Aarwangen in Langenthal deponiert.

Nicht zusammengekommen

Es liegt deshalb nahe, die Vertreter der Unabhängigen Bürger hinter der Dorf-Zytig zu vermuten. Diese geben sich allerdings unwissend. Sie habe damit nichts zu tun, erklärte Maya Kaufmann, UB-Kandidatin für den Gemeinderat. Nach verlorener Wahl hatte sie angekündigt, ihre Gruppierung werde sich weiter politisch einbringen. Seither seien sie jedoch nicht mehr zusammengekommen, hielt sie gestern fest.

Im Hintergrund unterstützt hat die beiden Frauen der UB Willi Frommenwiler, in Bützberg wohnhafter Präsident der Autopartei Kanton Bern. Doch auch er will nichts wissen von der Postille. Der Inhalt stösst bei ihm zwar auf unverholene Begeisterung, ja er findet ihn «sensationell». Von einer Mitarbeit will er allerdings nichts wissen. Er räumt lediglich ein, dass sämtliche Fälle und abgedruckten Dokumente aus der 180-seitigen Beschwerdeschrift an den Statthalter stammen. Anna Rosa Burkhardt war gestern nicht erreichbar.

Parteien reagieren gemeinsam

Reagiert haben dafür die vier im Gemeinderat vertretenen Dorfparteien. Ihre Präsidenten seien am Freitagabend zusammengekommen, um auf das anonyme Flugblatt zu reagieren, erklärte Quaile. Gestern liessen die Parteien ein gemeinsames Flugblatt in die Haushalte der Gemeinde verteilen.

Darin distanzieren sie sich vom anonymen Verein und dem Inhalt der Dorf-Zytig. Sie weisen darauf hin, dass die angeschuldigten Personen zum Schutz des Amtsgeheimnisses nicht zu den Fällen Stellung nehmen dürfen. Sie halten fest, dass die aufgeführten Fälle aus dem Zusammenhang gerissen seien.

Die Parteien werfen den Verfassern vor, sozial schwache Menschen für eigene Zwecke zu missbrauchen. «Das reflektiert die Gesinnung und Haltung dieser Organisation.» Manipulation und Verleumdung trügen nie zu konstruktiven Lösungen bei.

Einfluss auf Präsidentenwahl

Brisant ist die anonyme Dorfzeitung besonders deshalb, weil am 29. November in Thunstetten der Gemeindepräsident gewählt wird. Amtsinhaber Markus Quaile wird von Alfred Röthlisberger (SVP) herausgefordert. Während Quaile bei den Gemeinderatswahlen mit 339 Stimmen das schlechteste Resultat aller Gewählten hinnehmen musste, erzielte Röthlisberger das zweitbeste.

Wie viel weiss Willi Frommenwiler?

Die Unabhängigen Bürger gaben sich zur Dorf-Zytig gestern unwissend (siehe Haupttext). Etwas macht trotzdem stutzig: Beim Anruf dieser Zeitung muss Willi Frommenwiler zuerst in einem Stapel unerledigter Post nachschauen, wo die ihm angeblich nicht bekannte die Dorf-Zytig zum Vorschein kommt. Am Schluss des längeren Telefongesprächs räumt er ein, von Maja Kaufmann angerufen worden zu sein, die diese Zeitung als erste kontaktiert hatte. «Ich habe Ihren Anruf erwartet», sagt er. (jr)

Unter Rechtfertigungsdruck gerät dabei vor allem die angreifende SVP. Sie habe die Kandidatur Röthlisberger klar mit anderen Argumenten gerechtfertigt, betont Sektionspräsident Adrian Dreier. Die anonymen Vorwürfe, von denen sie sich klar distanziere, kämen der Partei deshalb sehr ungelegen.

Ein Rückzug ihrer Kandidatur kommt für die SVP trotzdem nicht infrage, auch wenn einseitig Markus Quaile angegriffen wird. «Wir gehen davon aus, dass die Bürger mündig sind und dies auseinanderhalten können.» Das gleiche hofft auch FDP-Präsident Beat Trösch, der zugleich das Unverständnis seiner Partei für den Angriff aus dem bürgerlichen Lager wiederholt.

Die Gemeinde wird gemäss Markus Quaile Anzeigen gegen die Urheber der Dorf-Zytig erstatten. Er weist darauf hin, dass ein grosser Teil der kritisierten Vorfälle vor seinem Amtsantritt datieren. Da niemand zur Dorf-Zytig stehen will, werde sich die Anzeige vornehmlich gegen Unbekannt richten. Zudem gehe es auch darum, die Verbreitung einer bereits angekündigten zweiten Ausgabe zu verhindern.