Seit 40 Jahren öffnet das Warenhaus Manor an einem Montagmorgen in der Vorweihnachtszeit eine Stunde früher als gewohnt, damit körperlich und geistig behinderte Menschen das Feld für sich allein haben. Die Aktion wird geschätzt.
Katharina Arni-Howald
Der Sekundarschüler Mike Burkhalter aus Subingen hat an diesem trüben und regnerischen Montagmorgen schulfrei bekommen. Statt Deutsch und Mathematik zu büffeln, weist er nun zusammen mit seinen Klassenkameraden behinderten Menschen für drei Stunden den Weg durchs Warenhaus und hilft ihnen in den Lift. «Ich bin überrascht, wie dankbar diese Menschen sind und wie sie ihre Freude zum Ausdruck bringen können», sagt Mike, der so etwas nie erwartet hätte und selbst von der guten Stimmung profitiert.
«Ich finde es schön, wenn man Kunden wie diese zum Lachen bringen kann und spürt, dass sie sich darüber freuen», strahlt auch Corinne Arn. Sie ist Verkaufsfachfrau im dritten Lehrjahr und hat schon einige Erfahrungen mit Menschen gesammelt - nicht immer derart positive.
Mal in aller Ruhe umschauen
Auch Manor-Personalassistent André Sury kann der langjährigen Tradition viel Positives abgewinnen. Für einmal gehe es nicht darum, Umsatz zu generieren, sondern körperlich und geistig Behinderten Wärme und Aufmerksamkeit entgegenzubringen. «Es ist uns ein grosses Anliegen, diesen Menschen die Möglichkeit zu bieten, das weihnächtlich hergerichtete Haus in Ruhe besuchen und geniessen zu können.» Das tun Günter und seine Betreuerin vom Pflegeheim Wiedlisbach ausgiebig. Bereits zwei Plastiksäcke sind gefüllt mit Dingen, die sich Günter wohl schon lange gewünscht hat: ein grosser Lastwagen, ein Malbuch, Farbstifte und Kleinigkeiten. «Schon die Carfahrt hierher war ein Erlebnis», drückt Marianne Allemann das aus, was Günter nur mühsam über die Lippen kommt. Und dann drängt sie sanft: «So, nun gehen wir zur Kasse.» Die Kasse ist ein Ort, wo es auch andere hinzieht. Denn dort wartet ein kleines Plüschtier auf die Kunden, und das Präsent will sich - wie man da und dort hört - niemand entgehen lassen.
Profitiert hat auch das Personal
«Sonst ist am Montagmorgen nicht so viel los», weiss Andreas Kunz von der Elektronikabteilung, aber heute zieht er ein Säckchen nach dem anderen hervor, um CDs einzupacken, die ihm gereicht werden. «Meistens Schweizer Volks- und Popmusik.» Auch Zekye Birer, die im zweiten Stock tätig ist, weiss, was heute Sache ist: «Kinderspielzeug für Weihnachten und Unterwäsche sind gefragte Artikel, aber das Anprobieren braucht Zeit.»
Sind die Einkäufe einmal getätigt, lockt oben im Restaurant ein Gratiskaffee mit Gipfeli - und darauf will erst recht niemand verzichten. Damit möglichst viele Behinderte angeschrieben werden konnten, durfte Manor auf den Adressenstamm von Pro Infirmis zugreifen. «Es sind 200 Voranmeldungen (inklusive Betreuer) eingegangen, aber wir gehen davon aus, dass rund 300 Menschen aus der ganzen Region vom Angebot Gebrauch gemacht haben», sagt André Sury - überzeugt, dass auch das Personal von den Kontakten profitiert hat und Vorurteile abgebaut werden konnten.