Musik
Vom Kinderzimmer auf die Bühne: «Schwiizergoofe» starten durch

Die Schwiizergoofe erobern einen Markt, den es so noch gar nicht gab. Der Kinder-Chor macht Popmusik. Die von Hitproduzenten wie Roman Camenzind fabrizierte CD «Schwiizergoofe 1» erreichte Platin. Der Nachfolger dürfte ebenso erfolgreich werden.

Andreas Ruf
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«Schwiizergoofe»: Kinder machen Popmusik – und zwar sehr erfolgreich.

«Schwiizergoofe»: Kinder machen Popmusik – und zwar sehr erfolgreich.

Screenshot Youtube

Sie hüpfen und lachen, sie singen und tanzen: Die Schwiizergoofe. Sechs- bis zwölfjährige Kinder aus allen Landesteilen trällern in zwölf verschiedenen Dialekten moderne Pop-Songs. Von Kindern für Kinder: So lautet das Konzept der Erfinderin des frechen Haufens, Nikol Camenzind (30).

Sie ist die Frau des HitMill-Musikproduzenten Roman Camenzind. «Vor einem Jahr waren wir noch bei einer Idee, jetzt bin ich überwältigt, was sie ausgelöst hat», sagt die bald dreifache Mutter gegenüber der «Nordwestschweiz».

Tatsächlich rockt ihre Idee seit einigen Monaten die Kinderzimmer der Schweiz. Das erste Album, «Schwiizergoofe 1», im März erschienen, gehört zu den zehn erfolgreichsten Platten des Jahres. Über 20 000 Stück wurden verkauft - das bedeutet Platinstatus. «Schwiizergoofe 2», vor gut drei Wochen lanciert, landete letzte Woche auf Platz vier der Schweizer Albumcharts.

Im September sang ein Grüppchen von 40 Kindern vor 40 000 Zuschauern im Zürcher Letzigrund mit Roger Waters den Welthit «Another Brick in The Wall», die Konzerte letzten Sonntag im Berner «Das Zelt» und Ende Dezember im Zürcher Volkshaus waren bereits seit Wochen restlos ausverkauft - trotzdem suchen verzweifelte Mütter im Online-Forum der Schwiizergoofe nach Rest-Tickets, mit dem Hinweis, die Tochter wäre «am Boden zerstört», wenn sie nicht hingehen könne.

Singlager nach 8 Minuten ausgebucht

Das Singcamp in Melchtal, wo im Sommer die eben erschienene zweite CD aufgenommen wurde, war nach acht Minuten ausgebucht. Obwohl diesmal 80 statt nur 40 Kinder wie im ersten Durchgang mitmachen durften. Die Frage ist also berechtigt: Was ist da los auf dem Kinderliedermarkt, den es so noch gar nicht gab?

«Aus mütterlicher Not heraus» seien die Schwiizergoofe entstanden, schmunzelt Camenzind. Weil ihre Tochter Mila (4) ständig zu Radio-Musik tanzte, hielt die Mutter Ausschau nach Popsongs, die von Kindern für Kinder gesungen werden. Weil sie nicht fündig wurde, sass Camenzind bald mit HitMill-Produzent Georg Schlunegger am Küchentisch. Sie komponierten Lieder, sammelten Texte und machten sich auf die Suche nach singwilligen Kindern.

Fündig wurden sie problemlos, wie Camenzind sagt. Lieder mit Texten wie «Schubidubidubi - mir gwaggle met em Fudi» oder «Pyjamaparty, die beschti Party vo de Wält» schlugen in der Folge ein wie eine Bombe. Nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Eltern, die ja letztlich die CDs kaufen.

Markterprobte Hitfabrik

Die Gründe dafür sind vielseitig. Abgesehen von der Marktlücke, die Camenzind mit dem Kinder-singen-für-Kinder-Konzept offensichtlich gefunden hat, steht hinter den beiden CDs eine markterprobte Hitfabrik. Mit Roman Camenzind und Georg Schlunegger hat die Zürcherin erfahrenes Personal im Rücken, wenn es darum geht, Ohrwürmer für den Mundart-Markt zu generieren. Bligg, Adi Stern, Baschi oder Anna Rossinelli zählen zur üblichen Kundschaft der beiden Produzenten.

Diese Handschrift ist erkennbar - und zieht scheinbar auch bei jüngerer Kundschaft. Die Songs sind Pop-Hymnen, Beats und Balladen, wie man sie täglich im Radio hört - nur eben mit Kinderstimmen. Es klingt, als wären die Schlieremer Chind, ein Kinderchor mit ähnlichem Konzept, im 21. Jahrhundert angekommen.

Die Texte sind frech, nicht aus der Erwachsenenperspektive geschrieben, sondern gespickt mit kessen Anekdoten aus dem Kinderalltag. «Nase bore, barfuess laufe, am Kiosk heimlich Schläckzüg chaufe, Chüssischlacht um Mitternacht, grööle, bis de Buch weh macht»: Das ist die Welt des Schwiizergoofs. Ausserdem steht neben den CDs eine ganze Produktepalette zum Kauf bereit: vom Notenbuch über Choreografien bis hin zu Karaoke-Versionen und Outfits. Dass das auch ein lukratives Geschäft ist, versteht sich von selbst. Aber «alles, was bisher reingekommen ist, wurde reinvestiert», sagt das selbst ernannte Schwiizergoofe-Mami.

Dass grundsätzlich jedes Kind dabei sein kann, ist ein zentrales Anliegen von Nikol Camenzind. Dazu müsse man noch nicht einmal besonders gut singen können. Der partizipative Charakter des Konzepts, die grundsätzliche Erreichbarkeit des Traums, einmal selbst dabei zu sein, ist ein weiterer wichtiger Teil des Erfolgs.

Nichts ist ausgeschlossen

Wie es weitergeht mit dem Überflieger-Kinderchor, verrät Camenzind nicht. Die Nähe des HitMill-Teams zur Casting-Sendung «Music Star» (Songproduktionen für Baschi, Fabienne Louves oder Börni) lässt zumindest den Gedanken aufkommen, dass aus dem Singprojekt schon bald die erste Kinder-Casting-Show der Schweiz entstehen könnte. Ausschliessen will Nikol Camenzind jedenfalls nichts: «In welche Richtung die Schwiizergoofe genau wachsen werden, müssen wir zuerst noch konkretisieren.» Dass sie weiter wachsen, scheint aber klar.