Der Vatikan macht anglikanischen Priestern ein Übertrittsangebot. Dagegen protestiert die christkatholische Kirche – auch in Basel.
Franz Osswald
Anglicanorum Coetibus» heisst die Apostolische Konstitution, die es anglikanischen Priestern in Zukunft ermöglichen wird, als Verheiratete in der Römisch-Katholischen Kirche eine neue Heimat zu finden. Damit reagiert Rom auf die Spannungen innerhalb der anglikanischen Kirche: Dort wehren sich Teile dagegen, dass gleichgeschlechtlich Lebende die Priester- oder sogar Bischofsweihe erhalten können und haben - und auch Frauen die Ordination erhalten.
Dieser Schritt Roms kommt beim christkatholischen Pfarrer der Basler Predigerkirche, Michael Bangert, und grossen Teilen der Schweizer Christkatholiken schlecht an. Dazu muss man wissen, dass die Christkatholiken mit den Anglikanern seit dem Bonner Agreement von 1932 eine Kirchengemeinschaft pflegen. Das heisst, Priester und Bischöfe können sich gegenseitig vertreten, Sakramente und Lehrmeinung beider Kirchen werden in ihrer Verschiedenheit voll anerkannt.
Bangert stört sich an diesem «für die christliche Ökumene beachtenswerten Vorgehen Roms» auch deshalb, weil in jüngster Vergangenheit der Basler Bischof Kurt Koch sich in sehr harschem Ton gegen vermeintliche Einmischungen der Christkatholiken in innerkirchliche Angelegenheit der Römisch-Katholiken und gegen scheinbare Abwerbungsversuche geäussert hatte.
Gemeint sind damit Äusserungen von Bischof em. Fritz-René Müller im Fall Röschenz und ein fünf auf fünf Zentimeter grosses Inserat der Luzerner Christkatholiken mit dem Wortlaut. «Es gibt sie, die andere Katholische Kirche». Diese «Mimosenhaftigkeit» Kurt Kochs lässt sich seiner Meinung schlecht mit der nun von Rom gestarteten «feindlichen Übernahme» von Klerikern einer anderen Kirche vereinbaren. Zumal sich Koch auch noch auf die «Charta Oecumenica» berief, die zwar von Schweizer Bischöfen, nicht aber von der Kirchenzentrale in Rom unterzeichnet wurde, wie Michel Bangert festhält.
Man könnte von einem «Offshore»-Geschäft sprechen, einer neu endeckten Ressourcenquelle, die dem römisch-katholischen Priesterstand neue Kräfte zuführen soll. Dazu wurde einfach eine juristische Rechtsform gewählt, die bereits beim «Opus Dei» eine Ausnahme ermöglichte. Normalerweise ist ein Bistum territorial definiert, für die Anglikaner wurde nun ein so genanntes «Personalordinariat» geschaffen, das lediglich eine bestimmte Personengruppe einschliesst. Die Übertrittswilligen müssen sich von einem römischen Bischof nochmals weihen lassen, die Autorität des Papstes anerkennen, können aber verheiratet bleiben. Nicht verheiratete Wechselwillige müssen sich dagegen ans Zölibat halten.
Michael Bangert: «Damit wird die Bedeutung des Zölibates als das anerkannt, was es ist: Eine leicht änderbare kirchenamtliche Verordnung.» Aufs ganze gesehen ist also ein Vorgang zu beobachten, in dem eine Kirche denjenigen Mitgliedern einer anderen Kirche, die Beitrittsinteresse zeigen, vereinfacht folgendes Angebot macht: «Wenn Ihr bei uns mitmachen wollt, dann schaffen wir Euch dafür einen besonderen Rechtsstatus!» Bangert stellt die Frage, «ob es sich hier aus römischer Sicht nicht um das unfeine Abwerben von Gläubigen einer anderen Kirche handelt, das Kurt Koch so sehr bedauerte», und spricht damit das zwiespältige Ökumeneverständnis des Bischofs an.
Roms Aktivismus könnte das Ziel aber auch verfehlen. Michael Bangert: «Im übrigen könnte sich das kirchliche Angebot für diejenigen, die vor Homosexualität und Liberalität in die römische Kirche fliehen, als theologische Mogelpackung erweisen: Vor kurzem bezeichnete ein erfahrener Berater von römisch-katholischen Priestern, der Jesuit Hermann Kügler, seine Kirche als die ‹grösste transnationale Schwulenorganisation der Welt›!» Bischof Kurt Koch verzichtet auf eine kurze Stellungnahme zu diesen Aussagen, wird sich aber später ausführlicher an dieser Stelle zum Thema äussern, liess er via Mediensprecher mitteilen.