Einst als «grösste Kloake Europas» verschrien, gilt der Rhein heute als weitgehend erholt. Doch da hormonaktive Stoffe im Wasser die Fischpopulationen gefährden, soll mit Ozon oder Pulveraktivkohle Abhilfe geschaffen werden.
Michèle Faller
Auf der Höhe des flachen Gebäudes in Weil am Rhein sind auf beiden Seiten des Ufers zwei grosse Verbotstafeln zu sehen. «Ankerverbot herrscht hier deshalb, weil sich unter der Wasseroberfläche die fünf Entnahmestränge befinden», erklärt Manfred Beubler von der Abteilung Gewässerschutz des Amts für Umwelt und Energie Basel-Stadt. Folgt man Beubler in die Rheinüberwachungsstation (RÜS), zeigt sich die Grösse des unscheinbaren Hauses unterirdisch. Je mehr Treppenstufen nach unten, desto lauter wird das Rauschen und Brummen.
Im Pumpenkeller, etwa zwölf Meter unter der Erdoberfläche und somit unter dem Rheinwasserspiegel, münden die fünf Entnahmestränge, die über die ganze Flussbreite verteilt sind. Stattliche zehn mal 15 Kubikmeter Rheinwasser fliessen hier pro Stunde durch. «Hier im Raum Basel fliesst das Rheinwasser ‹en bloc› runter und vermischt sich nicht», erklärt der Abteilungsleiter des Gewässerschutzes. Deshalb würden für die tägliche Routineuntersuchung die fünf Teilströme in der nebenan befindlichen Mischbatterie mengenproportional vermischt.
Chemie ist über Anrufe dankbar
Die Rheinüberwachungsstation in Weil am Rhein (RÜS) wurde per Staatsvertrag 1990 vom Land Baden-Württemberg und der Schweiz ins Leben gerufen und 1993 eingeweiht. Für den Betrieb der RÜS ist das Basler Amt für Umwelt und Energie zuständig. Die Station überwacht den Fluss als Ganzes. Um die Trinkwasseraufbereitung zu schützen, löst sie Alarm aus, wenn Schadstoffe in zu hoher Konzentration in den Rhein gelangen. Die RÜS ist auch Vollzugsbehörde. Sie überwacht die Einleitung des Flusses in Basel und zieht im Havariefall die Verursacher zur Verantwortung. Denn durch die fünf verschiedenen Entnahmestränge im Rhein lässt sich bestimmen, aus welchem Einleiter allenfalls verunreinigtes Wasser stammt. (mf)
«Mit dem Wasser werden auch die ganzen Arzneimittel aus den Kläranlagen in die Flüsse getragen», sagt Beubler zum Thema chemische Verschmutzung. Und Fischereiaufseher Hans-Peter Jermann berichtet, dass vor allem unterhalb von Kläranlagen wegen der hormonaktiven Stoffe eine Verweiblichung der Fische zu beobachten sei. Bei den männlichen Fischen verlangsame sich die Spermienreife und es entstehe eine Sonderform der Zwitterbildung. «Das ist ein Problem, denn die Reproduktion der Fische nimmt ab, was Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette im Fluss hat», betont Jermann. Verbessere sich die Wasserqualität, normalisiere sich auch das Geschlechterverhältnis bei den Fischen. Das könne aber bis zu zehn Jahren dauern, wissen die beiden Fachmänner.
Dem entgegenwirken soll das Projekt «MicroPol». In Pilotversuchen werde an verschiedenen kommunalen Abwasserkläranlagen eine vierte Reinigungsstufe mit Ozon beziehungsweise Pulveraktivkohle getestet, berichtet Beubler. Durch die Ozonierung sei die Toxizität des gereinigten Abwassers wesentlich zurückgegangen. «Um die vierte Stufe wird die Abwasserreinigung nicht umhinkommen», ist Manfred Beubler überzeugt, denn in der pharmazeutischen Wissenschaft könne man keine Grenzwerte festlegen. «Das menschliche Leben geht vor. Wenn ich krank bin, interessiert mich der Fisch eben nicht.»