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Siebenmal innerhalb eines halben Jahres hatte die Polizei den Angeklagten ohne Führerschein erwischt. In Boniswil baute der 71-Jährige mit seinem Traktor sogar einen Unfall. Die Staatsanwältin forderte ein Jahr Gefängnis – unbedingt.
Irena Jurinak
So tragisch seine Lebensgeschichte ist, so uneinsichtig zeigte sich der 71-jährige Landwirt am Dienstag an der Verhandlung vor Bezirksgericht Lenzburg. Auf die Frage von Gerichtspräsident Daniel Aeschbach, welche Strafe er sich für seine Vergehen geben würde, antwortete er: «Keine! Es gab keine Verletzten, der Schaden ist berappt und der andere hat ein neues Schöpfli bekommen.»
Der Landwirt hatte seinen Führerschein wegen Angetrunkenheit auf unbestimmte Zeit abgeben müssen. Trotzdem war er während eines halben Jahres wiederholt mit seinem Auto oder seinem Traktor gefahren, «um Verpflichtungen nachzugehen». Er fuhr zur Bank, zum Einkaufen, ins Restaurant oder entsorgte Abfälle.
Sohn lebt 1000 Kilometer weit weg
Zwischen Leutwil und Boniswil hatte er im Januar letzten Jahres gar einen Unfall gebaut. Mit über 1,6 Promille im Blut kam er in einer Kurve von der schneebedeckten Strasse ab und fuhr das Bord hinunter. Dabei riss er mehrere Meter Maschendrahtzaun um, überfuhr drei Obstbäume und den Betonpfosten eines Schopfes.
Auf die Frage des Gerichtspräsidenten, warum er ohne Führerschein gefahren sein, brummelte der Angeklagte «Was soll ich dazu denn sagen?» und brachte immer wieder seine Scheidung zur Sprache. Um den Unterhalt zu bezahlen, habe er seinen Hof verkaufen müssen, seither lebt er in einem Wohnwagen. Von seinen rund 2000 Franken Rente bezahlt er seinem 14-jährigen Sohn, der seit dem Tod der Mutter 1000 Kilometer weit weg bei einer Pflegefamilie in Deutschland lebt, monatlich 800 Franken Alimente.
Die Staatsanwaltschaft forderte 12 Monate Gefängnis unbedingt. Der Verteidiger plädierte dafür, 6 der 15 Anklagepunkte fallen zu lassen, und forderte 6 Monate Gefängnis. Der Angeklagte habe sein Leben wieder im Griff, zum Zeitpunkt seiner Vergehen habe seine «tragische Lebensgeschichte» einen Tiefpunkt erreicht gehabt. Seit neun Monaten habe er sich wohlverhalten, sein Auto habe er verkauft. Er sei einsichtig und reuig, auch wenn er das in der Verhandlung nicht so gesagt habe, sondern etwas «knorrig» gewesen sei.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen seiner Uneinsichtigkeit zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 20 Franken, 10 Monaten Gefängnis unbedingt und einer Busse von 400 Franken. Zudem zieht das Gericht den Erlös aus dem Verkauf des Autos über 4400 Franken und die beiden Traktoren ein.
Autofahren wird der Landwirt, der mittlerweile ein Generalabonnement besitzt, sowieso nie mehr. Das Strassenverkehrsamt hat ihm den Führerschein in der Zwischenzeit nämlich für immer entzogen.