Turmbauer auf der Sachsenmatt

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Turmbauer auf der Sachsenmatt

Turmbauer auf der Sachsenmatt

Aargauer Zeitung

Jörg Meier

Die sieben Männer und der Knabe waren den ganzen Tag an der Arbeit, oben auf der Sachsenmatt, bei der Wendelinskapelle. Wer im Laufe des Morgens von der Strasse her zuschaute, wunderte sich, was denn die da oben eigentlich genau taten. Baumstämme waren zu sehen, Bretter, Seile und ein Traktor. Und das Oktett, das konzentriert und irgendwie fröhlich zu Werke ging.

Am Nachmittag wurde dann klar, was dort entstand: Die bauten doch tatsächlich einen Turm. Neun Meter hoch, aus Holz. Zwischendurch verschwand einer der Arbeiter und kam nach ein paar Minuten mit dem Feuerwehrauto zurück. Um an einem hohen Turm weiterarbeiten zu können, brauchten sie halt einfach eine lange Leiter. Als der Turm dann gegen Abend aufgerichtet und gesichert war, stiessen die Turmbauer miteinander an. Sie sahen sehr zufrieden aus.

Der Turm auf der Sachsenmatt ist nicht nötig. Er hat keinen praktischen Nutzen und keinerlei politische Bedeutung. Er wird auch Anfang Juli wieder abgebaut. Dennoch ist er unverzichtbar. Er ist deshalb unverzichtbar, weil das Festspiel «Sachsenmatt», das hier ab 28. Mai gespielt wird, nur dann funktioniert, wenn genau an diesem Ort genau dieser Turm steht. Den Turm braucht es also, um die Illusion zu erzeugen, die das Theater wirklich werden lässt.

Schwer zu sagen, ob sich die Turmbauer bewusst sind, wie wichtig und überflüssig zugleich ihr Turm ist. Aber das spielt auch keine Rolle. Sie bauten den Turm, weil es hier vorübergehend einen Turm braucht. Und weil sie gerne bauen. Und gut.

Bauen um des Bauens willen. Wahrscheinlich hätten einige der vielen Zaungäste, die im Laufe des Tages an der Sachsenmatt vorbeikamen, ganz gerne mitgebaut.
joerg.meier@azag.ch