Der Wirt des Sternen in Aarau soll Löhne unterschlagen und Sozialleistungen nicht einbezahlen. Dies behaupten zwei Ex-Mitarbeiter. Der Wirt selber will nichts davon wissen.
Deborah Balmer
Die Vorwürfe an Y. S. (Name der Redaktion bekannt) sind schwer: Er soll laut der ehemaligen Angestellten Annette Grunder (Name geändert) regelmässig Löhne unterschlagen und Sozialleistungen nur ungenügend einzahlen. Mit einem fiesen Trick: Er melde die Angestellten bei der Versicherung zu 50 Prozent an - obwohl diese in Wahrheit 100 Prozent arbeiten. So umgeht er Pensionkassen- und AHV-Beiträge, die er als Arbeitgeber einzahlen müsste. Auf der Lohnabrechnung führe er aber sämtliche Sozialleistungen auf.
Zwanzig Betreibungen
Drei Jahre hat Annette Grunder im Hotel Restaurant Sternen in Aarau Rohr gearbeitet: «Ich habe in dieser Zeit das Hotel geleitet», sagt die 50-Jährige.
Nach drei Jahren hat sie gekündigt, weil sie einfach nicht mehr konnte: «Bis zu 15 Stunden hat Y. S. mich und andere Angestellte arbeiten lassen und dabei oft nicht einmal die Minimallöhne bezahlt.» Und noch schlimmer: Am Ende habe der Sternenwirt ihr vier ganze Monatsgehälter gar nicht bezahlt. «Ich musste 16 000 Franken vor dem Arbeitsgericht Aarau einfordern», so Annette Grunder. Hier haben sich die beiden Parteien auf einen Vergleich geeinigt. «Weil ich kein Gstürm wollte, bin ich darauf eingegangen».
Trotzdem geht die 50-Jährige jetzt an die Öffentlichkeit: «Es sollen nicht noch mehr Leute Schaden nehmen, denn meistens triff es die, die sowieso in einer Notsituation sind.»
Einer, für den diese Warnung zu spät kommt, ist der 53-jährige Koch Lothar Ress aus Suhr. Genau zwei Monate hat er es im Restaurant mitden Schweizer- und Italienischen Spezialitäten ausgehalten: Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hätte es nie gegeben. «Das Geld hat mir Y. S. bar auf die Hand gegeben - irgendwann gab es gar nichts mehr». Nur auf grossen Druck hin habe der Koch sein Geld dann doch noch bekommen. Einen Betrag weit unter dem Minimallohn: 17 Franken die Stunde.
«Arbeitsverträge gibt es in diesem Betrieb generell nicht - so kann Y. S. natürlich machen, was er will», so Ress. Er sei nicht der einzige, bei dem der Lohn nur unter Druck bezahlt worden sei.
Wie den beiden soll es vielen Angestellten ergangen sein: Der kurdisch stämmige Geschäftsführer habe in vier Jahren garantiert zwanzig Betreibungen erhalten, behauptet Grunder. Die meisten würden den Betrieb nach einem halben Jahr wieder verlassen.
«Ich zahle immer pünktlich»
Davon will Y. S. allerdings nichts wissen: Er habe sechs bis acht Angestellte, die Fluktuation sei gering.» Dass Zwölf- bis Fünfzehn-Stunden-Tage an der Tagesordnung seien, stimme nicht: «Jeder hat im Betrieb einen Plan.»
Und was sagt er zum Vorwurf, dass er Sozialleistungen nicht einzahle? Auch damit kann er nichts anfangen: «Im vergangenen Jahr habe ich 150000 bis 160000 Franken für die AHV einbezahlt.»
Und zu den unbezahlten Löhnen? «Das stimmt nicht, ich zahle immer pünktlich.» Er ergänzt: «Wären dies gute Leute, die sich jetzt beklagen, dann wären sie ja noch bei mir.»
Serge Gnos von der Unia Aargau hingegen ist wenig erstaunt über die Anschuldigungen: «Leider kommen solche Fälle im Gastgewerbe nicht selten vor.»
Zu lange Arbeitszeiten, der 13. Monatslohn, der nicht ausbezahlt wird und sexuelle Übergriffe gäbe es in dieser Branche oft. Und längst nicht alle Fälle kommen an das Tageslicht: « die Dunkelziffer ist hoch», so Gnos.