Schweinegrippe: Beten wird schwieriger

Religionsausübung in Zeiten der Schweinegrippe ist kompliziert. Die Schweizer Bischofskonferenz hat mit Empfehlungen für Bistümer und Kirchgemeinden auf die grassierende H1N1-Epidemie reagiert. Auch Muslime können nicht mehr ungestört nach Mekka pilgern.

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Claudia Landolt

Zu einem praktizierenden Glauben gehören feste Rituale. Doch jetzt wirbelt das Virus der Schweinegrippe die traditionellen Riten der Glaubensgemeinschaften durcheinander: Das in katholischen Kirchen dargebotene Weihwasser wird zum Virenherd, der in evangelischen Gottesdiensten gereichte Weinkelch mutiert zum Ansteckungsrisiko und die muslimische Pilgerfahrt nach Mekka zur Gesundheitsbedrohung.

Die Schweinegrippe verändert auch das Verhalten von Gläubigen in aller Welt. Nach der Deutschen Bischofskonferenz hat auch die Schweizer Bischofskonferenz erstmals Empfehlungen für den Infektionsschutz in Gottesdiensten bekannt gegeben - vorerst allerdings nur intern. Sie orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheitswesen (BAG).

Friedensgruss ohne Händeschütteln
Wer an der Grippe erkrankt ist oder bei wem der Verdacht auf eine Erkrankungen besteht, soll auf die Teilnahme an Gottesdiensten verzichten. Auch der Körperkontakt zwischen Pfarrer und Gläubigen soll reduziert werden. «Es ist nicht zwingend notwendig, sich beim Friedensgruss die Hand zu reichen, ein freundliches Nicken oder ein gesprochener Gruss kann ebenfalls ein Zeichen des Friedens sein», erklärt Walter Müller, Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz auf Anfrage. Die in der katholischen Liturgie nicht selten praktizierte Sitte, einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung zu geben, wird nicht verboten, aber auch hier - im Sinne einer Vorsichtsmassnahme - auf entschärfte Weise praktiziert.

Kommunion: Verzicht auf den Weinkelch
In vielen evangelisch-reformierten Gemeinden hätten sich die Gläubigen inzwischen darauf geeinigt, beim Abendmahl nicht mehr wie üblich aus einem gemeinsamen Kelch zu trinken, sondern nur noch die Hostie in den Kelch einzutauchen («Intincto» genannt).

Auch die Mundkommunion ist nicht mehr überall an der Tagesordnung, hier empfiehlt die Bischofskonferenz, den Gläubigen die Hostie in die Hand zu legen. Allerdings betont Walter Müller: «Jeder Gläubige kann grundsätzlich entscheiden, wie er die Hostie empfangen will.» In gewissen (reformierten) Kirchen im Aargau lasse man die Mundkommunion einfach ausfallen, so Frank Worbs, Leiter des Informationsdienstes der reformierten Landeskirche im Kanton Aargau, zu a-z.ch.

Ansteckungsgefahr im Weihwasser?
Auch eine Zurückhaltung bei der Nutzung des Weihwasserbeckens in den katholischen Kirchen sei geboten, heisst es. Dass aber vom Becken eine besondere Ansteckungsgefahr ausgeht, davon will Walter Müller nichts wissen. «Die Gefahr einer Ansteckung soll nicht überschätzt werden, das H1N1-Virus hat in Wasser keine allzu grosse Überlebenschance». Bei grosser Gefährdung könne natürlich das Becken geleert werden. Die Konferenz will ihre Empfehlungen nicht als Verordnungen verstanden wissen. Die Verantwortung liege letztlich bei den Pfarreien, wie man damit umgehe, so Walter Müller.

Schutzmaterial für die reformierten Kirchgemeinden
Die Reformierte Landeskirche Aargau hat vorsorglich im September Schutzmaterial an die Seelsorgerinnen und Seelsorger verteilt. Darunter fallen «Schutzmasken, Handschuhe und Desinfektionsmittel», wie Frank Worbs auf Anfrage von a-z.ch erklärt. Diese sollen die Seelsorger im Pandemiefall bei Hausbesuchen tragen.

Kontingente für Mekkareisen gekürzt

Auch das Pilgern nach Mekka in Zeiten der Schweinegrippe gestaltet sich schwierig. Der Hadsch, die traditionelle Wallfahrt nach Mekka, findet vom 25. bis 30. November statt. Jährlich wird mit rund drei Millionen Pilgern aus 150 Staaten gerechnet. Das heisst: Hunderttausende von Menschen in grosser Hitze und Enge, beten und essen zusammen und berühren dieselben rituellen Gegenstände.

Mekka, ein riesengrosser Inkubator? Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten in Riad, hat Präventivmassnahmen erlassen: Die Vorbeter sollen sich kurz fassen, und die Gläubigen sich nicht länger als notwendig in den Moscheen aufhalten. Dr. Halid Duran, Pressesprecher des Verbandes der Muslime im Kanton Aargau, weiss Genaueres. «Die Schweinegrippe war im Vorfeld ein grosses Thema. Alte und schwache Personen sollen die Visa gar nicht bekommen haben, und die Kontingente wurden gekürzt.». In den Schweizer Moscheen sei die Diskussion um allfällige Vorsichtsmassnahmen in den Moscheen nicht entbrannt, so Duran. Sie wären in den hiesigen Moscheen «auch fast nicht umsetzbar».