Mellingen
Sanierung im Heitersberg: Nachtarbeit bei unter null

Die SBB modernisieren ihre Infrastrukturanlagen im Heitersbergtunnel. In die Fahrleitungen wird elektrischer Strom gespeist. Der Strom wird in Kabelkanälen neben den Gleisen bis zur Übergabestelle geführt. Momentan werden die Kabelkanäle erneuert.

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Sanierungsarbeiten im Heitersbergtunnel
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Teamchef Manfred Müri
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Stephanie Wyss, Fahrerin des Schienentraktors
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Der Bauzug vor dem Tunnelportal
Das Tunnelportal mit der Haltestelle Mellingen-Heitersberg

Sanierungsarbeiten im Heitersbergtunnel

Dieter Minder
Es ist kurz nach 22 Uhr. Bei der S-Bahn-Haltestelle Mellingen Heitersberg steigen einige Arbeiter aus einem Kleinbus der Kummler + Matter AG. Sie tragen unter den orangefarbenen Schutzwesten warme Kleider, die Temperatur ist auf minus 12 Grad gesunken. Etwas später bringen Postautos einige Fahrgäste zur Haltestelle. Bis 3000 Passagiere nutzen täglich diese Haltestelle. Sie kommen entweder mit einem der Postautos oder nutzen das Parkhaus. Aus dem Lautsprecher der Bahn tönt eine Frauenstimme: «Gleisänderung, die S3 nach Dietikon fährt auf Gleis 2 statt 3.» In dieser Nacht gilt im Heitersbergtunnel Einbahnverkehr. Das nördliche Gleis, auf dem nomalerweise die Züge in Richtung Zürich fahren, ist gesperrt.

Sicherheit geht vor

Gleichzeitig übernimmt beim stillgelegten Bahnhof Mellingen Stephanie Wyss den Bauzug. In ständigem Funkkontakt mit ihrem Zugbegleiter und der Fernsteuerzentrale für die Stellwerke in Olten, fährt sie den Bauzug in Richtung Mägenwil. Ungefähr 200m nach dem Bahnhof vereinigen sich bei der Weiche Grumet die Linien durch den Heitersberg und nach Baden Oberstadt. Wyss fährt ihren Zug knapp über die Weiche hinaus, lässt diese per Fernsteuerung umstellen und rollt bis zur Haltestelle Mellingen Heitersberg. Hier montiert ihr Zugbegleiter eine Erdungsstange. «Die Fahrleitung über dem Gleis, unter dem wir arbeiten, wird ausgeschaltet und zusätzlich geerdet», erklärt Teamleiter Manfred Müri. «Über die Erdungsstange wird der Induktionsstrom abgeleitet.» Dieser entsteht durch das Magnetfeld der eingeschalteten Fahrleitung.
Langsam rollt der Bauzug, bestehend aus einem Schienentraktor Typ TM 234 und beidseitig angekoppelten Wagen, das Perron entlang. Auf einem Wagen befinden sich fertige Kabelkanalelemente, auf dem anderen einige Kubikmeter Beton. Am Ende des Perrons steigen die Arbeiter in den Traktor. In der engen Kabine haben etwa 8 Leute Platz. Das Ende des Bauzuges bildet ein selbstfahrender Bagger, der auf einem Fahrgestell mit Eisenbahnrädern montiert ist. Über seine Pneuräder kann er, im Reibverfahren, die Bahnräder antreiben und sich so selbstständig bewegen.

Wyss fährt den Bauzug bis zum Tunnelportal und hält wieder an. Einige Arbeiter steigen aus und der Wagen mit dem fertig gemischten Beton wird abgekoppelt. «Hier müssen wir das Ende des Kabelkanals betonieren», sagt Teamleiter Müri. Damit der Beton nicht zu schnell hart wird, wird ihm Verzögerer beigemischt. «Wir haben Glück, dass es nicht zu kalt ist, denn Verzögerer und Frostschutz können nicht in den Beton gemischt werden», erklärt Rolf Lang, Sicherheitschef der Baustelle. Nicht zu kalt sind aber immer noch 12 Grad minus. Im Tunnel, bei der inneren Baustelle, ist es 6 bis 7 Grad wärmer. Mit dem Kran auf dem Eisenbahnwagen versetzen die Arbeiter die Kabelkanalelemente neben die Gleise. Jedes der 108 Elemente ist 2,5 Tonnen schwer.

Stephanie Wyss fährt den Bauzug

Stephanie Wyss, aufgewachsen in Büblikon, ist nicht nur die Fahrerin des Bauzuges, sie beteibt im Fahrerstand auch die Betriebskantine: «Wir haben alles, Kaffee, Tee und heissen Most.» In der Kabine können sich die Arbeiter zwischendurch etwas aufwärmen. Trotz den vielen Kleidern: Die Kälte ist durchdringend. Stephanie Wyss absolvierte eine Schreinerlehre. Später wechselte sie als Sicherheitschef für Bautruppes zu den SBB. «Da habe ich erfahren, dass die Stelle eines Zugfahrers frei wird, und weil es mir im Team gefällt, habe ich mich gemeldet.» Nach einigen Kursen und einer Prüfung erhielt sie den Fahrausweis für den Schienentraktor.

Intercity donnert vorbei

Wesentlich schneller, mit rund 140 km/h, rasen die Personenzüge an den Bauarbeitern vorbei. Zu den Spitzenzeiten kommen sie etwa im Dreiminutenabstand. Der Lärm ist ohrenbetäubend. «Hier hat es keinen Schotter», sagt Müri. Die Bahnschwellen liegen auf einem Betonpodest. Zum Lärm kommt ein sturmartiger, durch den Zug verursachter Wind. Alles, was nicht fest wäre, würde mitgerissen. Es gehört zu den elementaren Sicherheitsvorschriften, dass nichts liegen gelassen wird. Jedem Zug folgt eine Wolke mit feinem, in Augen und Nase dringendem Staub. Früher war dieser auch mit Kolibakterien durchsetzt, denn aus den WC der Personenwagen fiel alles auf die Gleise. Seit die Wagen mit geschlossenen WC-Anlagen ausgerüstet sind, ist das anders. «Damals gab es in den Tunnels viel mehr Ratten», erinnert sich ein Arbeiter. Wegen der geschlossenen WC fehlt ihnen heute die Lebensgrundlage. Für die Arbeiter steht auf dem Schienentraktor ein Toitoi-WC.
Gegen 5 Uhr müssen die Arbeiter den Tunnel wieder verlassen. Bis zum Abend um 22 Uhr ist er wieder ganz für die Züge zwischen Zürich, Bern und Basel reserviert. Dann gehen die Arbeiten wieder weiter. Noch zirka eine Woche wird es dauern, bis die Kabel eingezogen sind, dann wird das Team zur nächsten Baustelle wechseln. Die Erneuerung ist Teil der regelmässigen Unterhaltsarbeiten.