Friedensfördernde, soziale, ökologische oder kulturelle Einsätze organisiert der Service Civil International (SCI). Der Schlieremer Matthias Rüst befasst sich derzeit beim SCI intensiv mit der Friedenspädagogik.
Daniel von Känel
«Wenn du denkst, du bist zu klein, um etwas zu bewirken, dann versuche mal mit einer Mücke im selben Raum zu schlafen», steht auf dem T-Shirt, das Matthias Rüst trägt. Schon im Gymnasium hat es ihn vom lauschigen Schlieremer Heimeliweg, wo er aufgewachsen ist, in ferne Länder gezogen. «Ich habe mir damals überlegt, was ich in den Ferien machen könnte», erzählt er. Da er schon damals gerne gereist ist, wurde er auf den SCI aufmerksam, der so genannte Workcamps organisiert. Sein erstes Camp sei in der Slowakei gewesen, dann kamen Frankreich, die Tschechische Republik und schliesslich Indien, Peru und Russland. Ihm habe es gefallen, in der Gemeinschaft etwas zu erleben und zu bewirken.
In den Workcamps engagieren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für gemeinnützige Projekte in den Bereichen Friedensförderung, Soziales, Ökologie und Kultur. Der SCI ist in vielen Ländern vertreten - auch in der Schweiz. Der Schweizer Zweig organisiert auch hierzulande solche Camps und schreibt sie aus.
SCI Schweiz Der Schweizer Zweig des Service Civil International (SCI) arbeitet seit über 70 Jahren aktiv in der Friedensbildung und Jugendarbeit, vor allem durch kulturellen Austausch und Freiwilligen-Einsätze in über 50 Ländern. So genannte Workcamps dienen Freiwilligen dazu, sich in diesen Bereichen engagieren zu können. Diese Camps werden jeweils vom SCI ausgeschrieben. Auch für dieses Jahr sind noch diverse Plätze frei. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des SCI Schweiz: www.scich.org. (dvk)
Fünf bis acht Nationalitäten seien pro Camp jeweils vertreten, erklärt Rüst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kämen aus der Schweiz und aus vielen anderen Ländern. In der Schweiz gebe es beispielsweise Camps in Durchgangszentren oder auf Bio-Bauernhöfen. Diese Camps dauern zwei bis drei Wochen, einige gar vier Wochen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden sei 21 bis 22 Jahre, sagt Rüst. Allerdings seien auch Leute zwischen 30 und 40 darunter, teilweise sogar Pensionierte. 16 Jahre alt müsse man sein, um an einem Camp in der Schweiz zu besuchen, ab 18 Jahren kann man sich auch für solche im Ausland anmelden.
Was nun in diesen Workcamps bewusst einfliessen soll, ist die Friedenspädagogik. Dafür ist Rüst derzeit beim Schweizer Zweig des SCI für sechs Monate vollamtlich als Projektleiter engagiert. Das Ziel sei, Dokumente und Hilfsmittel dafür zu erarbeiten, die dann den Koordinatorinnen und Koordinatoren der Camps, aber auch anderen Jugendorganisationen zur Verfügung stehen.
Die Friedenspädagogik, so die Definition, fördert in erster Linie den kritischen Umgang mit Gewalt und Konflikten jeglicher Form. Sie sucht die Überwindung von Vorurteilen und Feindbildern, die Entwicklung von Toleranz und interkultureller Kompetenz und befähigt zur demokratischen Teilhabe und zum differenzierten Umgang mit neuen Medien.
Der Begriff Friede, sagt Rüst, meine in diesem Zusammenhang nicht einfach die Abwesenheit von Krieg. Partizipation, demokratisches Denken und die Bereitschaft zur Kooperation seien die Eckpfeiler, um ein Zusammenleben friedlich organisieren zu können. Diese Begriffe würden in den heutigen Workcamps zwar schon gelebt, nun gehe es darum, dass man sich diesen Werten noch mehr bewusst werde und das fördere, was bereits vorhanden sei. Man wolle die Friedenspädagogik in alle Aktivitäten einbinden. «Fairness und Respekt soll selbstverständlich werden», sagt er.
Friede, sagt Rüst, sei ein Gefühl von Harmonie und Sicherheit - und ein Begriff, der nicht das grösste Selbstverständnis darstelle. Dieses sei heutzutage wohl eher dem Geld vorbehalten, die Förderung von menschlichen Werten folge erst an zweiter Stelle. «Wir sind technisch versiert, lernen aber nicht, in Frieden zusammenzuleben», sagt Rüst. «Für mich ist dies aber wichtiger als auf den Mond fliegen zu können.»
Auch der Aspekt Umwelt sei ein Friedensfaktor. «Wenn die Lebensgrundlage zerstört wird, gibt es auch Krieg», so Rüst. Es hänge eben alles zusammen, alles habe einen Einfluss auf das Leben.
Doch nicht nur das Erschaffen von Dokumenten und Hilfsmitteln ist Ziel des aktuellen SCI-Projektes. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren werden darin geschult, diese Ansätze anzuwenden. «Dafür haben bereits über 20 Aktivitäten stattgefunden», sagt Rüst. Je nach Anlass seien zwischen 5 und 100 Leute beteiligt gewesen. Um die Hilfsmittel auch anderen Organisationen zugänglich zu machen, würden sie später auf dem Internet verfügbar sein.
Das Geld als grösstes Selbstverständnis, menschliche Werte an zweiter Stelle, eine zerstörte Umwelt als Kriegsgrund: Das mag auf eine düstere Anschauung deuten. Doch Matthias Rüst sieht dies anders. «Wir leben keinen Fatalismus», sagt er über das Engagement des SCI und den Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workcamps. «Die Lösungen für ein besseres Zusammenleben sind da, wir müssen nur lernen, sie anzuwenden.» Ihre Einstellung sei viel mehr, optimistisch und konstruktiv anzupacken und Verantwortung zu übernehmen. Ganz nach dem Optimismus, der vom Aufdruck des T-Shirts ausgeht - dass es auch eine kleine Mücke schaffen kann, viel Aufsehen zu erregen.
Ist das Projekt Friedenspädagogik abgeschlossen, werden die Inhalte von einer Gruppe Freiwilliger weitergetragen. Und auch für Matthais Rüst wird das Thema noch nicht abgeschlossen sein. Er, der in Genf internationale Beziehungen studiert hat und seither auch dort wohnt, will sich weiterhin in diesem Bereich engagieren. Einerseits wolle er dem SCI zumindest ideell erhalten bleiben, andererseits habe er schon lange den Traum, in Südostasien zu arbeiten. Es sei noch nicht definitiv, aber es sehe so aus, also ob ab Herbst dieser Traum in Erfüllung gehen wird. Rüsts voraussichtliche Tätigkeitsbereiche in Kambodscha, Laos oder Vietnam heissen demnach Friedensbildung und Nachhaltigkeit.