Nach zwei guten ersten Saisondritteln ist der Kirschenmarkt eingebrochen. Betroffen sind vor allem Hochstamm-Sorten. Diese sind dem Wetter ausgesetzt und können deshalb den Marktanforderungen immer schwieriger genügen.
Daniel Haller
«Zwischen den Früchten tobt ein Kampf um den Platz im Regal. Liefern wir die Kirschen nicht zur richtigen Zeit, landen sie hinten links und sinken in der Gunst der Konsumenten», berichtet Ernst Lüthi. Er hat seinen früheren Milchwirtschaftsbetrieb in Ramlinsburg auf Obstbau umgestellt und produziert 30 bis 40 Tonnen Kirschen im Jahr.
Beat Gisin, Geschäftsführer des Früchtegrosshändlers Frunoba AG in Gelterkinden, bestätigt: «Nicht Kirschen aus dem Ausland, sondern andere Früchte machen unseren Kirschen Konkurrenz. Für den Preis von einem Kilo Kirschen bekommt man zwei bis drei Kilo Pfirsich oder Nektarinen. Und steht eine Frucht nicht prominent und grossflächig in der Auslage, greift der Konsument nicht zu.» Um aber mehrere Kisten Kirschen gleichzeitig ins Regal zu stellen, müssten diese tagelang haltbar sein. «Sieht die Ware erst einmal müde aus, bleibt sie liegen.»
Die Baumhygiene fehle bei vielenHochstammbäumen, kritisiert Kirschenproduzent Ernst Lüthi aus Ramlinsburg: «Es ist klar, dass man bei einem Brennkirschenpreis von 50 bis 60 Rappen pro Kilo die Bäume nicht mehr abernten, sie im Winter schneiden und im Frühjahr genau dann spritzen kann, wenn der Schädlingsdruck auf die entsprechende Sorte am grössten ist.» Das ergäbe einen Stundenlohn von gerade mal einem Fünfliber. Wenn die Bäume wegen dieser Marktsituation unbewirtschaftet in der Landschaft stehen, würden sich der Monilia-Pilz und andere Schädlinge in den am Baum faulenden Früchten vermehren: «Damit wächst der Schädlingsdruck auf die produzierenden Plantagen.»
Von der Politik, für «jeden Storz» 15 Franken Prämie zu zahlen, hält Lüthi nicht viel: «Weil damit kein Pflegeauftrag verbunden ist, ist das Resultat ein künstlich erhaltenes Baum-Altersheim.» Als Mitglied des Naturschutzvereins Ramlinsburg und der Natur- und Landschaftsschutzkommission des Kantons plädiere er für «ein vernünftiges Nebeneinander von Hoch- und Niederstamm-Kulturen». Aber in Ramlinsburg stünden derzeit auf 110 Hektaren 800 Hochstamm-Bäume, «Diese bleiben zu 90 Prozent unbewirtschaftet. Weniger wäre da eindeutig mehr.» (dh)
Markt eingebrochen
Genau dies sei in der letzten Woche bei den kleinfruchtigen Hochstamm-Sorten passiert: Stockt der Verkauf in den Läden, werden die weniger haltbaren Hochstamm-Kirschen alt und bremsen den Nachschub aus den vollen Lagern, wo derweil die Früchte auch nicht frischer werden.
«Nachdem die zwei ersten Drittel der Saison gut waren, ist der Markt eingebrochen», stellt Gisin fest. Die Gründe seien noch nicht alle analysiert. Eine Rolle spielten die Ferienzeit und das kühle Wetter, das nicht zum Konsum von Sommerfrüchten animiert habe - aber eben auch die Qualität: «Für das Landschaftsbild fördert man Hochstammkulturen, aber dem Detailhandel genügen diese Produkte oft nicht mehr. Da haben wir ein grundlegendes Problem, das wir nach der Saison diskutieren müssen.»
Aktionswochen entscheiden
Die richtige Qualität zum richtigen Zeitpunkt, heisst die Anforderung des Marktes: «Die Aktionswochen bei den Grossverteilern werden bereits ab Januar geplant», berichtet Lüthi. Zwar werde dann später je nach Ernteprognose noch etwas nachjustiert, ergänzt Gisin. Der Aufwand für Werbung und Logistik erfordere aber eine frühzeitige Planung. Kurzfristig angesetzte Aktivitäten hätten in der Regel weniger Erfolg. Das Problem für den Produzenten: «Kann man in der Aktionswoche nicht die richtige Menge und Qualität liefern, ist man weg vom Fenster», berichtet Lüthi.
Investitionen gegen Wetter
Dabei kann das Wetter den Kirschenproduzenten manchen Strich durch die Rechnung machen: Regen ist tödlich, weil er die reifen Früchte aufplatzen lässt und diese zu faulen beginnen. Ist es zu heiss, werden sie schlaff und sind weniger haltbar. Bei feuchtwarmer Witterung lauert der Monilia-Pilz. Und nicht zuletzt kann Hagel die Ernte innert Minuten vernichten. Für Lüthi ist deshalb klar: «Hochstammbäume sind zu vielen unkontrollierbaren Einflüssen ausgesetzt. Diese Zufalls-Produktion schadet letztlich dem Image der Kirsche als Frucht insgesamt.»
In seinen Plantagen stehen deshalb die Bäume in zwei Metern Abstand exakt aufgereiht an vier Meter breiten Gassen durch die er mit dem Schmalspur-Traktor fahren kann. Über den Kronen spannt sich ein Drahtseil, das die Hagelnetze trägt. Auf diese sind schmale, sich überlappende Bahnen wasserdichter Planen genäht, die das Regenwasser in die Mitte der Gassen ableiten. Bei Wind öffnen sich die Bahnen, um die Angriffsfläche zu verkleinern. «100 000 Franken Investitionen pro Hektar», erklärt Lüthi.
Schnelle Sortenwechsel
Dafür würden die Bäume schon im dritten Jahr tragen. «Bei Hochstämmern müsste man zehn Jahre warten.» Dies sei wichtig, denn das Sortenkarussell drehe sich immer schneller: Nur mit Bäumen, die kurzum produzieren, könne er im Markt mithalten. Junge Bäume seien auch leichter zu steuern. Mit der intensiven Pflege erreiche er einen Hektarertrag von durchschnittlich 14 Tonnen.
Dabei könne man ohne Unfallgefahr 80 Prozent der Früchte vom Boden aus pflücken, nur für einen kleinen Teil sei eine kleine Leiter nötig. Eine Person könne 20 Kilo pro Stunde pflücken, das Doppelte eines Hochstammpflückers. Dazu komme, dass es einfacher sei, mehrere Pflückgänge zu machen und nur die reifsten zu nehmen. Auch diese Homogenität sei ein wichtiger Vorteil: «Qualität ist auf dem heutigen Markt zunehmend wichtiger als der Preis», stellt er fest.