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«Nicht hinter jedem Trend her»

In einem Buch erzhält der Journalist Samuel Mumenthaler mit 50 Geschichten die Geschichte des Berner Rocks. Es ist nicht nur die des Mundartrocks.

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Solothurner Zeitung

Johannes Reichen

Voller Hoffnungen tat sich die Band Grünspan Jahr 1972 zusammen. «Wir glaubten fest daran», sagt heute Bassist Stöffu Kohli, «schon bald weltberühmt zu werden.» Doch dann sangen sie: «Mir hei Bock uf Rock u Härdöpfelstock.» Es war 1975, das Lied hiess «Bärner Rock», und Weltruhm und Kartoffelstock passten schon damals nicht so ganz zueinander. In Bern und der Schweiz schafften sie es später als Span und mit «Louenesee» doch zu einiger Berühmtheit.

Auch in der kleinen Welt Bern lässt gut rocken, das zeigen die Geschichten von Grünspan und die anderen, die in einer Serie in der «Berner Zeitung» erschienen sind und jetzt in einem Buch zusammengefasst wurden. Der Journalist Samuel Mumenthaler hat 50 Jahre des Berner Rocks gezählt und erzählt sie Jahr für Jahr.

Der Rock'n'Roll erreicht Bern

Anfänglich wollte er ein Buch ohne Bilder schreiben, eine «verbotene Geschichte», doch bald merkte er, dass es ein Unterfangen ohne Ende werden würde. Also musste er sich einschränken, eine Chronologie bot sich an. Manchmal seien die Geschichten eher zufällig einem Jahr zugeordnet, vor allem in den späteren Jahren, sagt er. Doch sind sie vertreten, die Wichtigen, aber doch längst nicht ganz alle, was ja auch ein gutes Zeichen sei.

Mumenthaler hat mit ihnen gesprochen. Von den älteren kennt er viele persönlich, doch nun sei er nicht mehr so aktiv und habe viele neue Kontakte knüpfen müssen. Allzu schwer war das nicht, «grundsätzlich sind Musiker ja nicht so kompliziert».

Natürlich gibt es kein offizielles Geburtsjahr des Berner Rock. «Mit 1959 liegen wir aber nicht schlecht», sagt Mumenthaler. In den 50-er Jahren sei die Rock'n'Roll-Lebensweise auch in Bern angekommen. «Professionelle Musiker haben das schon früh aufgegriffen, zum Beispiel Hazy Osterwald.» Es war aber dann mehr die «Dancing-Variante» des Rock'n'Roll. Auch sie haben einen Platz im Berner «Rock», denn dessen Geschichtsschreiber sieht es nicht so eng.

Hemdsärmlige Berner und Rocker

Abgesehen von Techno versteht er unter Rock so ziemlich jede Musik, die bei jungen Menschen populär war und ist, «vom Garagenpunk bis zur Unterhaltungsmusik». Selbst die Hip-Hopper sind vertreten, und Mumenthaler sagt: «Hip-Hop ist der Berner Rock der Stunde.»

Man kann den «Berner Rock» aber auch ganz eng fassen, und dann ist es das, was die meisten darunter verstehen, insbesondere jene ausserhalb Berns. Aus dem Vorwort zum Buch: «Der Begriff ‹Berner Rock ist› erst enstanden, als wir begannen, in Mundart zu singen.» Das schreibt Polo Hofer, und er fügt hinzu, dass der Begriff heute unabhängig von der Sprache benutzt werden könne für Musik, die im Bernbiet entstehe. Auch der Buchautor sieht das so, und er seiht eine weitere Verbindung. «Rock hat für mich etwas Hemdsärmliges, und genau das zeichnet Bern auch aus. Man läuft hier nicht jedem Trend hinterher.»

Absprung vor dem Durchburch

Mumenthaler ist selber Musiker. Er war Schlagzeuger etwa bei Züri West oder bei Phon Roll. Für ihn persönlich sticht ein Jahr aus allen heraus, das Jahr 1984. «Als wir damals Züri West gegründet haben, waren wir voll auf dem Sprung. Das war ein euphorisches Gefühl.» Als die Band den grossen Durchbruch schaffte, war er längst nicht mehr dabei, doch er bereute es nie. «Mundartrock war im Grunde nie mein Ding.» Er sei mehr auf der «alternativen Schiene», weit weg von Dingen wie den «grössten Schweizer Hits».

Er sei nicht der «Weisch-no»-Typ, sagt Samuel Mumenthaler über sich. Das mag vielleicht etwas überraschend klingen für einen, der in der Vergangenheit gewühlt hat. Doch er lebt im Jetzt. «Das Feuer brennt immer noch.»