Die Schweinegrippe zwingt mehr und mehr Menschen zu einer Zwangspause – auch in Langenthal. Wie sind das Spital, die Schulen und die Kindarztpraxis der Stadt gewappnet?
Eines ist klar: Die Schweinegrippe macht auch vor Langenthal nicht Halt. Zwar gibt es bis heute nur etwa eine Handvoll bestätigter Fälle, «die Dunkelziffer ist aber bedeutend höher», sagt Alexander Imhof, Chefarzt Medizinische Klinik im Spital Region Oberaargau (SRO). «Wir testen nur Grippepatienten auf das H1N1-Virus, die einer Risikogruppe angehören. Deshalb wissen wir längst nicht bei allen Leuten mit einem grippalen Infekt, um welche Art von Grippe es sich handelt.» Bis anhin seien im Spital alle Schweinegrippe-Fälle gut verlaufen. «Ich hoffe, dass dies so bleibt- auch dann, wenn sich das Virus stärker ausbreitet», so Imhof.
Ausreichend Medikamente ...
Das SRO ist gut auf eine allfällige Pandemie vorbereitet. Basierend auf Erfahrungen in anderen Ländern habe man alle wichtigen Medikamente an Lager, sagt Imhof. Besonderes Augenmerk richte das Spital auf die Infusionen und Antibiotika. Doch Vorsorge ist besser als Heilen - das weiss auch der Chefarzt. «Wir haben am vergangenen Donnerstag mit den Impfungen begonnen.» Ihnen seien in einer ersten Tranche 500 Pandemrix- und 20 Focetria-Impfungen zur Verfügung gestanden. Zuerst sei das Spitalpersonal und Patienten, die einer Risikogruppe angehörten, geimpft worden. Imhof war positiv überrascht, wie viele Mitarbeitende sich impfen liessen: «Wir können ja niemanden zwingen, sich impfen zu lassen. Aber wir haben es dem Personal ans Herz gelegt.» Umso erfreuter sei er gewesen, dass sich mindestens doppelt so viele impfen liessen, als er erwartet hätte.
Wer an den typischen Grippesymptomen leidet, soll vor allem eines: Ruhe bewahren. Längst nicht jede Grippe ist dem H1N1-Virus zuzuschreiben. Dennoch sollte – wer hohes Fieber, Husten und Gliederschmerzen hat – einen Arzt konsultieren. Zuerst aber besser von zu Hause aus, denn: Wer sich mit der Schweinegrippe in ein Wartezimmer setzt, kann davon ausgehen, einige Mitmenschen anzustecken. Darum vor dem Gang zum Doktor telefonisch mit ihm Kontakt aufnehmen. Zumeist wird man dann zu Randzeiten in die Sprechstunde gebeten. Ob man sich impfen lassen sollte, kann unter
www.pandemia.ch mit Hilfe eines Fragebogens rausgefunden werden. (kit)
... aber nicht genügend Impfstoff
Darüber freut sich ebenfalls Hanspeter Vogt, Chefarzt der Frauenklinik im SRO. Er ist in einer ganz besonders heiklen Situation - schliesslich gehören Schwangere, Gebärende, Wöchnerinnen und Neugeborene zu den Hochrisikopatienten. Tragisches Beispiel hierfür ist der am Sonntag verstorbene Säugling im Baselbiet. Von seinen etwa 50 Mitarbeitenden haben sich nur vier noch nicht impfen lassen. Vogt: «Doch auch diese werden wir in persönlichen Gesprächen noch vom Nutzen der Impfung zu überzeugen versuchen.» Falls dies auch nichts bringe, müsse das nichtgeimpfte Personal Konsequenzen in Kauf nehmen: «Eine solche könnte etwa sein, dass sie nicht mehr auf der Gynäkologie oder der Wöchnerinnenabteilung arbeiten dürfen, bis das Gripperisiko vorbei ist», sagt er. Der Entscheid, ob man sich impfen lasse oder nicht, sei vor allem beim Pflegepersonal nicht nur ein persönlicher, so Vogt. Er ist der Ansicht: Es wäre das
Beste, wenn in der Schweiz flächendeckend geimpft werden würde.
Davon ist das Land aber noch weit entfernt, wie das Beispiel der Langenthal Kinderarztpraxis zeigt. Hier wurde am vergangenen Freitag mit ersten Impfungen begonnen. Wobei die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen mehr als nur bescheiden war. Aus diesem Grund werden vorderhand nur die Hochrisikopatienten geimpft - also Kinder mit Herzfehlern oder starkem Asthma. Wann und ob es einmal genügend Impfstoff gibt, um jedes beliebige Kind zu impfen, ist noch nicht klar. Nicht zuletzt aus diesem Grund betrifft die Thematik auch die Schulen. Im Schulzentrum Kreuzfeld I-III wurden einige Massnahmen ergriffen, wie Schulleiter Armin Flükiger erklärt: «Wir haben in jedem Zimmer einen Seifenspender installiert. Dort, wo es noch Stoffhandtücher hatte, haben wir diese mit Papiertüchern ersetzt.» Zudem sei bereits nach den Sommerferien ein Infozettel an die Eltern verteilt worden, sagt er. «Unser Tipp: Hände häufig waschen und sie gut abtrocknen.» Ob die Schüler dieser Aufforderung nachkämen, könne aber nicht kontrolliert werden.
Theorie ist das eine - und die Realität?
Die Stadtbehörden wurden ebenfalls aktiv: Bereits vor einiger Zeit bildeten sie eine Arbeitsgruppe. Man will im Ernstfall gut vorbereitet sein. Etwa, wenn auf den Ämtern die Hälfte des Personals ausfällt. Leiter der Arbeitsgruppe ist Jean-Rico Siegenthaler, stellvertretender Stadtschreiber. In der Arbeitsgruppe sind Vertreter aus allen möglichen Sparten dabei. Das Kinderheim, das Sozialamt und die Schulen sind ebenso vertreten wie die Informatik der Stadt sowie die verschiedenen Ämter. «Wir beobachten die Situation laufend und tauschen uns aus. Doch ob unser Pandemieplan im Notfall auch wirklich greifen würde, ist schwierig zu sagen», erklärt Siegenthaler. «Planen kann man schliesslich viel - wie die Realität im Ernstfall aussähe, kann noch niemand sagen.»