Der Milchpreis ist in der Schweiz so tief wie noch nie. Für die Bauern bedeutet dies grosse Einbussen. Die zwei Freiämter Milchbauern Alois Horat und Roland Villiger sehen verschiedene Wege aus der Krise.
Andrea Marthaler
Alois Horat, 50, steht in Gummistiefeln in seinem Stall in Nesselnbach und spricht mit energischer Stimme: «Die Milchwirtschaft geht derzeit in eine schlechte Richtung. Wir müssen wieder zurück zur Milchkontingentierung.» Mit seinen 20 Kühen und dem Ackerbau verdient er gerade mal genug, um zu leben. Rentabel ist sein Betrieb zurzeit nicht, und dies, obwohl er 365 Tage im Jahr von halb sechs Uhr morgens bis sieben Uhr abends arbeitet.
Besonders in der Milchwirtschaft ist der Ertrag zurückgegangen. Pro Kilogramm zahlt ihm die Mittelland-Molkerei, die seine Milch kauft, noch 64 Rappen. «Wenn der Milchpreis noch weiter fällt, geht es nicht mehr», befürchtet Horat.
In der Schweiz gibt es zu viel Milch. Diese Überproduktion senkte den Milchpreis. Mitte 2008 bekamen die Landwirte für das Kilogramm Milch über 80 Rappen, heute sind es noch ca. 60 Rappen. Bereits bevor das Milchkontingent im Mai abgeschafft wurde, produzierten viele Bauern mehr Milch als erlaubt, so genannte Mehrmengen. Diese belasten auch heute noch den Markt. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch weltweit wird allerdings zu viel gemolken. Dies macht es für den Schweizer Markt umso schwieriger. Seit die Grenzen zur EU bei der Milchproduktion teilweise geöffnet wurden und diese zollfrei importiert werden können, steht der Schweizer Milchpreis stärker unter Konkurrenz mit dem Ausland. In Deutschland liegt der Preis für ein Kilogramm Milch derzeit bei rund 20 Cent. Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren diesem Niveau angepasst und wird sich künftig parallel entwickeln. Erst wenn sich der Milchmarkt im Ausland erholt, steigt auch der Milchpreis in der Schweiz wieder. (ama)
Betrieb stark gewachsen
Vom tiefen Milchpreis betroffen ist auch Roland Villiger aus Alikon. Der 26-jährige Jungbauer weiss aber von Arbeitseinsätzen im Ausland, dass eine freie Marktwirtschaft für die Milchproduzenten funktionieren kann. Gemeinsam mit seinem Vater führt Roland Villiger einen mittelgrossen Milchbetrieb mit 55 Kühen. In den letzten Jahren haben sie stark investiert. Den Stall aus dem Jahr 1984 haben sie ausgebaut und von 27 Kühen auf 55 aufgestockt. Die Milchmenge stieg von 125 000 Liter auf fast 500 000 Liter Milch pro Jahr.
Durchschnittlich erhalten sie bei der Molkerei in Hochdorf, an die sie direkt liefern, 62 Rappen pro Kilogramm Milch. Auch Villigers leiden unter dem tiefen Milchpreis. «Im Moment verdienen wir mit der Milchwirtschaft kein Geld. Langfristig ist sie so nicht zukunftsfähig», erklärt Roland Villiger.
Lager sind überfüllt
Alois Horat sieht den Grund für den tiefen Milchpreis bei der Milchmenge. «Man kann nicht mehr produzieren, als konsumiert wird.» Genau dies wird aber gemacht. Deshalb sind Horat Betriebe wie der von Villigers ein Dorn im Auge. Villigers haben über mehrere Jahre hinweg immer mehr Milch produziert, die den Markt überschwemmt.
Die Lager der Verarbeiter sind mit Milchpulver, Butter und Käse überfüllt und der Milchpreis sank in den Keller. Seit nun das Milchkontingent wegfiel, herrscht freie Marktwirtschaft. Horat selber melkt seit Jahren gleich viel. Und dies, obwohl er vor fünf Jahren einen neuen Stall gebaut hat und eigentlich Platz für mehr Kühe hätte. Indem er bei den 130 000 Liter jährlich stagniert, die er schon als Kontingente besass, will er dazu beitragen, dass der Milchpreis nicht weiter sinkt.
Drei Aargauer Bauern erklären am 25. November, 20 Uhr im Hotel Ochsen, Muri, ihre Strategien im heutigen Milchmarkt.
Kosten sollen gesenkt werden
Roland Villiger glaubt nicht daran, dass der Milchpreis wieder steigen würde, wenn die Milchmenge kleiner wäre. «Der Milchpreis wird sich bei 60 bis 70 Rappen einpendeln.» Stattdessen sieht er Potenzial bei den Produktionskosten.
Da müsste seiner Ansicht nach die Politik handeln. «Ein Stall kostet bei uns fast doppelt so viel wie in Deutschland», ärgert sich Villiger. «Dort wird der Bau subventioniert.» Ähnliches wünscht er sich auch in der Schweiz, da die Vorgaben, zum Beispiel beim Gewässerschutz, hohe Kosten mit sich bringen. Auch sonst braucht es für Villiger ein Umdenken in der Politik. Diese geht derzeit noch stärker in Richtung naturnahes Produzieren. Villiger sieht die Zukunft auch in der Schweiz in grösseren Betrieben. «In Deutschland hat eine Familie im Durchschnitt 70 Kühe, in der Schweiz nur gerade 20.» Dies wird sich in den nächsten Jahren vermutlich ändern.
Grossbetriebe sind die Zukunft
«Betriebe, die in den letzten Jahren nicht investiert haben, sind irgendwann weg», glaubt Villiger. Er selber möchte in Zukunft noch weiterexpandieren. Gemeinsam mit seinem Bruder möchte er einst den Betrieb übernehmen und damit zwei Familien ernähren können. Bis zu 100 Kühe könnten dann auf seinem Hof leben. Für Villiger ist klar, dass solch grosse Betriebe in der Schweiz die Ausnahme bleiben werden. Für ihn wäre es aber die richtige Strategie. «Mit dieser Grösse und zwei Familien wären wir flexibler, was die Arbeitsaufteilung betrifft.» So gäbe es auch mal einen freien Tag.
Milchmenge muss sinken
Forderungen an die Politik stellt auch Alois Horat. «Wir müssen wieder kontingentieren und ein Grundlieferrecht einführen.» Die Aufteilung der Liefermenge müsse bei einer Stelle zusammenlaufen, zum Beispiel beim Verband der Schweizer Milchproduzenten. Dieser solle eine Gesamtmilchmenge vergeben und dafür sorgen, dass die Mehrmengenmilch wieder verschwindet. Nur so, glaubt Horat, werde sich der Milchpreis wieder erholen und sich die Arbeit der Landwirte lohnen. Die Konsequenz andernfalls wäre, dass Betriebe aufgeben müssten.