Erschreckend oft kommt es vor, dass Männer bei familiären Schwierigkeiten den aus ihrer Sicht letzten Ausweg wählen: Sie töten ihre Frauen, Kinder und sich. Man habe das nie erwartet, hört man dann sagen, doch betroffene Männer können das verstehen.
von Fränzi Rütti-Saner
«Ich kann einige dieser schrecklichen Taten nachvollziehen, auch wenn ich sie total verurteile», sagt Z. zu dem Vorfall in Bettlach, wo vor zwei Wochen ein Mann seine getrennt von ihm lebende Ehefrau und dann sich selbst umgebracht hat. Seine Lebensgeschichte habe zeitweise auch in einer Sackgasse gesteckt, erklärt der 40-Jährige aus der Region. Suizidgedanken hätten ihn verfolgt. «Dass ein Mann keinen anderen Ausweg mehr weiss, als eine solche abschliessende Tat zu vollführen, kann ich verstehen.»
Z. berichtet: «Ich wurde von einem Tag auf den anderen von meiner Frau vor die Türe gesetzt, die Türschlösser unseres Hauses waren ausgewechselt. Ich konnte weder Kleidung noch sonstige Habseligkeiten holen.» So habe er die ersten Tage bei seinen Eltern Unterschlupf gefunden. «Schon allein dieses Ereignis war traumatisch für mich. Ich war total halt- und ratlos.» Stundenlang sei er im Wald herumgeirrt und habe sich «hintersinnet». Wut und Aggressionen, gleichzeitig Hoffnungslosigkeit und Depression seien in ihm aufgestiegen.
Martin Schmid, einziger Gewaltberater/ Gewaltpädagoge des Kantons Solothurn, kennt solche schwierigen Lebenssituationen von Männern, doch er sagt: «Ein Hilfsangebot für Männer in Krisensituationen besteht durchaus. Nach meiner Erfahrung sind es aber wenige Männer, die sich Hilfe holen.» Natürlich sei fachliche Hilfe nicht gratis zu haben, doch Schmid ist überzeugt, dass, wer Hilfe - auch finanzielle - braucht, diese findet. Wichtig sei aber die Haltung, mit der die Männer solche Hilfe anforderten. «Viele sehen sich als Opfer. Sie haben Angst, sind hilflos und traurig, doch haben sie nie gelernt, damit umzugehen. Also kehren sie diese Angst- und Unsicherheitsgefühle eines Opfers in Täter-Gewalt um, denn Männer hätten gelernt: Mit Gewalt kann ich solche Gefühle «wegmachen». Es ginge jedoch darum, Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Schmid: «Ich plädiere dafür, dass Männer aggressiver werden. Damit meine ich, dass sie lernen, auf ihr Gegenüber zuzugehen, sich zu artikulieren und zu ihren Gefühlen und Problemen zu stehen.»
Für Männer in schwierigen Familiensituationen steht auch die Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer IGM Schweiz. Wer Mitglied ist, kann den eigenen Beratungsdienst ehemals Betroffener in Anspruch nehmen. Die IGM setzt sich derzeit auf politischer Ebene für die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts im Scheidungsrecht ein. Weitere Forderungen sind der automatische Entzug des Sorgerechts und der Obhut für die unterliegende Partei bei missbräuchlicher Anschuldigung wegen Kindesmissbrauch oder die Zulassung eines Vaterschaftstests ohne Veto-Recht der Mutter. Weitere Männerberatungs-Institutionen sind beispielsweise der Verein verantwortungsvoll erziehender Väter und Mütter VeV, das Mannebüro Züri oder die Beratungsstelle StoppMännerGewalt Bern. Im Internet sind noch viele weitere Adressen zu finden. (frb)
Solche Gefühle beschreibt auch ein anderer Mann, der momentan in Trennung lebt. «Männer werden mit dem Thema häuslicher Gewalt erpresst und sind in einem Scheidungsprozess immer benachteiligt», resumiert er und präzisiert: «Im Grunde genommen kann eine Frau machen, was sie will, denn die Schuldfrage ist vor dem Gericht nicht relevant. Sie erhält so oder so vom Gericht eine finanzielle Abgeltung, sprich Alimente zugesprochen, die den ehemaligen Partner an den finanziellen und sozialen Rand drängen. Sind noch minderjährige oder in der Ausbildung stehende Kinder betroffen, wird es für ihn ruinös.
Das neue Eherecht macht den Mann, trotz Gleichstellung von Mann und Frau, bei einer Scheidung zum Verlierer.» Frauen könnten ins Frauenhaus, bekommen unentgeltliche Rechtshilfe, könnten alle möglichen aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen gegen ihren Mann ohne Folgen anbringen und am Schluss noch behaupten, man habe die Kinder sexuell missbraucht, sagen die Männer. Die Frau des 40-Jährigen Z. habe ihm bei den Behörden wiederholt sexuellen Missbrauch der Kinder vorgeworfen.
«Obwohl das völlig aus der Luft gegriffen ist. Ich habe mich danach bei der Polizei gemeldet und angefragt, ob ich jetzt stündlich mit einer Verhaftung rechnen muss», so verunsichert sei er gewesen. «Einen Rechtsbeistand kann ich mir nicht leisten. So wurde mir unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen, doch wenn ich finanziell wieder besser dran bin, muss ich diese Kosten zurückzahlen».
«Es bräuchte auch für Männer so etwas wie ein Frauenhaus, eine untentgeltliche Kriseninterventionsstelle, einen Ort, wo man hingehen und sich beraten lassen kann, sich austauschen und Frust ablassen kann», sagt Z. Er habe auch das Gefühl, dass die Behörden mit den derzeitigen rechtlichen Vorschriften überfordert seien. «Solange nichts passiert, bleiben die Aktenberge auf den Ämtern liegen. Würde ich aber mit einem Gewehr in der Gegend rumlaufen, käme sofort Bewegung in die Sache. Solche Erkenntnisse frustrieren. Wenn die Mütter die Kinder als Waffen einsetzen, ist man als Vater völlig hilflos.»
Für den 50-Jährigen stehen noch andere Probleme im Vordergrund. «Viele Männer in meiner Situation vereinsamen. Sie leiden darunter, dass sie ihre Kinder viel zu wenig sehen. Sie ernähren sich nicht richtig, beginnen zu trinken. Die finanziellen Probleme wachsen ihnen über den Kopf. Verlieren sie dann noch, wie in derzeitigen Krisenzeiten, ihre Arbeit, spitzt sich die Lage noch mehr zu. Es kann zu Kurzschlusshandlungen kommen. Eine neue Beziehung unter diesen psychischen und finanziellen Problemen aufzubauen, wird sehr schwierig.»