Ganz gibt Elisabeth Weber das Backen nicht auf. Sie behält ihre Backstube und bietet auch in Zukunft weiterhin einen Partyservice an.
Alessandra Paone
Sie ist klein. Fast ein bisschen versteckt hinter dem grossen Brunnen mitten im Herzen des Stedtli. Ihr Schaufenster - bunt, wild, voll - unterscheidet sich von jenen der anderen Bäckereien in Liestal. Genauso das Ladeninnere. Ein angenehm süsser und vertrauter Duft erinnert an Grossmutters Küche während der Weihnachtszeit.
Seit 73 Jahren ist die Bäckerei Gysin eine beliebte Adresse in Liestal. Alfred Gysin rief die Traditionsbäckerei 1936 ins Leben. Seine Liebe zum Backen gab er seinem Sohn Erich und seiner Enkelin Elisabeth weiter. Beide traten in die Fussstapfen des Bäckermeisters und führten den Familienbetrieb weiter. Ende Jahr geht die Gysin-Ära aber zu Ende - die Bäckerei muss ihre Tore schliessen.
«Wir können den Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten - sonst schnappt die Schuldenfalle über uns zu», sagt Erwin Weber. Seine Frau Elisabeth, Alfred Gysins Enkelin, und er haben die letzten neun Jahre sieben Tage pro Woche gearbeitet. Also auch am Sonntag. «Aber wir habens sehr gern gemacht und hatten auch immer grossen Spass an der Arbeit», betont Elisabeth Weber. Hinkend kommt sie die Ladentreppe herunter. Seit einiger Zeit machen ihr die Füsse und Beine arg zu schaffen. «Arthritis», erklärt ihr Mann und schaut sie besorgt an.
Grund für die Schliessung: Der Aufwand sei grösser als der Gewinn, auch hätten sie keine Nachfolger, sagt das Ehepaar. «Meine Arbeitsweise ist komplizierter als jene anderer Bäcker, zumal ich praktisch alles von Hand mache», erklärt Elisabeth Weber. Das Problem sei, dass sie für ihre Ware nie den Preis verlangt hat, den sie gemessen am Aufwand eigentlich hätte verlangen müssen. «Das Finanzielle stand für uns nie im Vordergrund - das Soziale war uns wichtiger», ergänzt ihr Mann. Er bezeichnet die Bäckerei auch als Sozialwerk: «Wir haben nicht zuletzt so lange ausgeharrt, weil wir unsere Angestellten nicht einfach auf die Strasse setzen wollten.»
Erwin Weber ist seit vier Jahren als selbsterwerbender Allrounder tätig. Dank seiner Aktivität konnte das Ehepaar die Bäckerei querfinanzieren. Doch jetzt ist dies nicht mehr möglich. Der 48-Jährige hat neben seiner Arbeit auch immer in der Bäckerei ausgeholfen. Er hat sich vor allem um die Buchhaltung gekümmert und ist im Verkauf eingesprungen. «Aber auch in der Backstube kann man ihn brauchen», sagt seine Frau lächelnd.
Für die 46-Jährige ist es besonders schwer, Abschied zu nehmen. Schon als Kind stand sie wenn immer möglich bei ihrem Grossvater in der Backstube. «Für mich war von Anfang an klar, dass ich Bäckerin werde.» Während vieler Jahre war Elisabeth Weber die einzige Bäckermeisterin im Kanton. Sie hat mehrere Lehrlinge ausgebildet. Derzeit beschäftigt sie deren drei. Zwei davon schliessen im kommenden Frühling ab. Diese will sie unbedingt bis zur Prüfung begleiten. Deshalb sollen trotz Ladenschliessung die Lieferungen weiterhin erfolgen. Für die dritte Lehrtochter, die erst gerade angefangen hat, sucht das Ehepaar Weber einen neuen Lehrbetrieb.
Ganz mit Backen aufhören möchte die Liestalerin aber nicht. So behält sie ihre Backstube und bietet auch in Zukunft einen Partyservice an. Am meisten fehlen wird ihr der Kontakt zu den Kunden - vor allem am Sonntag. Sie habe immer einen sehr familiären Umgang gepflegt und sei immer für ein Schwätzchen zu haben gewesen. «Das haben unsere Kunden sehr geschätzt.»