Die zwischen der Seetalbahn und der einstigen Kartonnagefabrik J. Langenbach AG liegende Villa, deren Wert zwischen zwei und drei Millionen liegen dürfte, gehört jetzt der Stadt Lenzburg. Was die Stadt mit dem über 25 Aren grossen Grundstück plant, ist noch nicht entschieden.
Peter Schmid
Die Vergabe an die Stadt ist im Testament mit keinerlei Auflagen verknüpft. Sie kann mit der Villa, die um die Jahrhundertwende im Jugendstil erbaut wurde, und mit dem Grundstück tun und lassen, was sie will. «Ein echtes Geschenk», stellt ein sichtlich aufgestellter Stadtammann Hans Huber fest.
Das Areal kann verkauft, vermietet oder in die Planung der Neugestaltung des Bahnhofplatzes einbezogen werden. Entschieden ist noch nichts. Vorderhand wurde die Villa für mindestens ein Jahr an eine Privatperson vermietet. Geschätzt wurde der Wert des Erbes noch nicht, doch je nach Landpreis, den man zugrunde legt, kommt man auf einen Wert von zwei bis drei Millionen - ein fürwahr nicht alltägliches Geschenk, welches das im vergangenen Frühjahr verstorbene Ehepaar Haldimann-Langenbach der Stadt gemacht hat.
Die Letzte der Industriellenfamilie
Dass die Stadt bedacht wurde, ist nicht selbstverständlich, denn das kinderlose Ehepaar lebte vor allem in den letzten Jahren äusserst zurückgezogen. Wie eine gute Bekannte des Ehepaars meinte, war es auch nicht einfach, mit den Haldimanns in Kontakt zu kommen.
Iris Haldimann war die letzte Nachfahrin der Industriellenfamilie Langenbach, deren Geschichte begann, als der aus Lahr im Schwarzwald stammende Jakob Langenbach 1876 die Kartonnagefabrik J. Langenbach AG gründete. Er und sein Sohn Adolf führten die Firma zu einem angesehenen Unternehmen, das bis zu 140 Arbeitnehmer beschäftigte. Iris war das einzige Kind von Adolf Langenbach und seiner Gattin Augusta Brun, einer Architektentochter aus Chur.
Pläne am Bahnhof gaben Anstoss
Als Pläne für die Verlegung der Seetalbahn und der Umgestaltung des Bahnhofplatzes ruchbar wurden, begann sich das Ehepaar Haldimann zu fragen, was wohl mit ihrer Villa geschehen würde, die hinter hohen Bäumen versteckt liegt. Sie besprachen ihre Sorgen mit der Bekannten, die einst enge Beziehungen zur Stadtpolitik hatte. Sie rief den damaligen Bauvorsteher Hans Huber an und riet ihm, mit den Haldimanns Kontakt aufzunehmen.
Das tat die Stadtbehörde mehrmals, worauf sich das Ehepaar entschied, die Villa, in der Iris 1925 geboren wurde und in der sie zeitlebens gewohnt hatte, der Stadt zu vermachen. Ihrer Vermittlerin gegenüber erklärte das Ehepaar: «So ists uns wohl, denn wir wissen, dass unser Haus dann in rechten Händen ist.»
Zudem, auch wenn sie noch so zurückgezogen lebten, dass man sie in der Stadt kaum kannte, meinte Iris Haldimann stets: «Lenzburg ist unsere Heimat.» Schon Firmengründer Jakob Langenbach war Bürger von Lenzburg geworden.
Stiftung zum Wohle der Tiere
Die Villa ist der kleinere Teil des Nachlasses, denn durch den Verkauf der Langenbach AG im Jahre 2001 an das Familienunternehmen Schelling AG beziehungsweise Lande AG in Rupperswil, war die Familienkasse gewaltig angeschwollen. Das Vermögen - man spricht von 60 bis 80 Millionen - floss vollumfänglich in die im Jahre 2000 gegründete Haldimann-Stiftung, deren Zweck die «Förderung des Tierschutzes in der Schweiz im weitesten Sinne, insbesondere durch Beiträge an Institutionen, Organisationen oder Einzelpersonen sowie direkte Projektbeteiligung» ist. Präsident des Stiftungsrates ist Dr. Andreas Baumann, Rechtsanwalt und Notar in Aarau.
Das Ehepaar Haldimann hatte sich zu Lebzeiten stark für Tiere engagiert und war befreundet mit Susanne Klein, der Leiterin des Tierdörflis Wangen bei Olten.
Schicksalsschläge prägten die Familie
Die Geschichte der Familie Langenbach ist geprägt von etwelchen Schicksalsschlägen. Firmengründer Jakob Langenbach starb schon 1902 nach einem Schlaganfall. Aus erster Ehe hinterliess er zwei Töchter, aus zweiter zwei Söhne, die in jungen Jahren die Firmenleitung übernehmen mussten. Adolf war gerade 21 Jahre alt und hatte kaum seine Ausbildung auf einer Bank abgeschlossen. Bruder Ernst starb 1930 bei einem Autounfall, sodass danach die ganze Last auf Adolf ruhte. Er fand trotzdem Zeit für Geselligkeit - er war aktives Mitglied des Turnvereins, des Männerchors, der Schützen und ein begeisterter Freischar.
1919 heiratete er Augusta Brun. Als einziges Kind entspross Iris, die letzte Langenbach, der Ehe. Am Abend des Jugendfestes 1942 erlitt Adolf Langenbach einen Schlaganfall, dem er schliesslich erlag. Iris war erst 16 Jahre alt. Adolf Langenbach war ein begeisterter Fotograf. Seine Alben, die das Lenzburg von einst dokumentieren und das Leben im Städtchen zwischen den Weltkriegen illustrieren, befinden sich jetzt in den Beständen des Museums Burghalde.
Lieber Grafologe als Direktor
Adolfs Witwe verheiratete sich nach dem frühen Tod ihres Gatten mit Hermann Schwyzer, der in der Folge die Firma führte. Iris Langenbach ehelichte Edgar Haldimann, einen promovierten Wirtschaftswissenschafter, der sich aber lieber der Grafologie als der Firmenleitung widmete. Er stieg aus und absolvierte ein Studium der Grafologie. Von 1983 bis 1995 war er Präsident der Schweizerischen Graphologischen Gesellschaft.
Das grösste Hobby des Ehepaars war nebst Tieren und kulturellen Ereignissen das Reisen. Iris und Edgar Haldimann-Langenbach haben im Laufe der Jahrzehnte die halbe Welt gesehen. Im vergangenen März ging ihre Reise innert zweier Tage endgültig zu Ende.
In Lenzburg endete die Geschichte der Industriellenfamilie Langenbach eigentlich schon 1993, als der Neubau in Schafisheim bezogen wurde und der Coop das alte Fabrikgebäude übernahm.