Mehrere Airlines, darunter die Swiss-Mutter Lufthansa, kritisieren das Flugverbot über Europa. In Deutschland sind erste Flughäfen wieder offen. In der Schweiz hält man an der Sperre fest.
Sven Millischer, Beat Rechsteiner
«Keinen Kratzer» hätten die zehn Maschinen durch Aschenstaub erlitten, sagt ein Lufthansa-Sprecher. Die Flugzeuge waren am Wochenende ohne Passagiere auf bis zu 8000 Meter gestiegen. Die grösste europäische Luftfahrtgesellschaft verlangt verlässliche Messungen: Es gebe bislang keine konkreten Daten über die tatsächlichen Auswirkungen des Vulkanausbruchs.
Joachim Hunold, Chef des Billigfliegers Air Berlin, moniert, die Schliessung des Luftraums basiere lediglich auf einer Computersimulation. Und die holländische Pilotenvereinigung spricht sich für eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs aus. Heute treffen sich die Verkehrsminister der EU zu einer Sonderkonferenz. Dabei soll auch über mögliche Alternativen zum Flugverkehr gesprochen werden. Derweil hat Deutschland die Luftraumsperre wieder gelockert: So konnten gestern auf sieben Flughäfen erste Jets wieder in bestimmte Richtungen starten. Allerdings hatten die grossen Carrier ihre Flüge für den Tag bereits annulliert und konnten so von der kurzfristigen Öffnung nicht profitieren.
Verkehrsminister Leuenberger gelassen
In der Schweiz gilt die Flugsperre vorderhand bis heute um 14 Uhr. Nach Auskunft des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) war das Land gestern noch gänzlich zugedeckt von der Aschewolke. Je nach Wetterlage wird heute ein neuer Entscheid gefällt. Falls sich die Situation verändere, könne die Flugsperre rasch relativiert werden. Alle Langstreckenflüge der Swiss ab und in die Schweiz sowie alle Europaflüge bis 20 Uhr wurden vorsorglich gestrichen – insgesamt 380 Starts. Sprecher Jean-Claude Donzel betont: «Bei uns gilt Safety first – und solange der Luftraum gesperrt ist, wird nicht geflogen.» Man beteilige sich nicht an der Diskussion über die Sperre. Ob die Europaflüge heute nach 20 Uhr abheben können, entscheidet die Swiss am Mittag. Die Langstreckenflüge benötigen mehr Zeit: «Der Vorlauf für eine solche Maschine beträgt 18 Stunden. Bis die Crew aufgeboten ist und die Passagiere informiert sind, vergehen sechs Stunden», erklärt Donzel.
Verkehrsminister Moritz Leuenberger steht der Situation gelassen gegenüber. Angesprochen auf die Einschränkungen im Flugverkehr, liess er sich im «Sonntag» zitieren: «Ich merke bei mir, dass eine solche Zäsur gutut.» Wie Leuenberger können auch Parlamentarier der Situation Positives abgewinnen, schliesslich beinhalte ein derartiges Naturereignis auch ein symbolisches Zeichen, meint beispielsweise CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener. SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner kritisiert derweil Leuenbergers Aussagen. Er fordert, dass ein Krisenstab eingesetzt wird, der sich mit den wirtschaftlichen Folgen befasst. Giezendanner sorgt sich vor allem um mögliche Kapazitätsengpässe im Güterverkehr als Folge des Flugstopps.