Das Labyrinth von Absperrungen und Durchgängen auf der Baustelle zwischen Stadelhofen und Bellevue zeigt eine verblüffende Wirkung. Wer hineingerät, wird entspannt und freundlich.
Martin Reichlin
«Wissen Sie, wo die Forchbahn hingekommen ist», fragt die ältere Dame am Stadelhofen den ihr wildfremden Mann und blickt leicht verwirrt über den Platz. Dort, wo sie sonst das rot-weisse Schienengefährt zu sehen gewohnt ist, entdeckt sie heute nur eine Baustelle, Bagger und Bauarbeiter. Ein gigantisches, gelb-oranges Mensch-Maschinen-Ballett, durchdrungen von einem Gewirr aus Wegen und Stegen.
Von dem konstruktiven Durcheinander lässt sich die Dame allerdings kaum aus der Ruhe bringen. Ruhig nimmt sie die gewünschte Information entgegen («Die Forchbahn hält jetzt in der Kreuzbühlstrasse») und zieht in die angezeigte Richtung davon.
Überhaupt will sich kaum jemand darüber aufregen, dass einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt - oder Flaschenhälse, je nach Ansicht - umgepflügt und für Fussgänger zum Irrgarten gemacht wurde. Im Gegenteil scheint das Labyrinth die Zürcher auf geheimnisvolle Weise entspannt und geduldig zu machen. Fast an jeder Ecke fragen Leute nach dem Weg und erhalten freundlich Auskunft. Ist ein Steg zwischen den Schranken einmal besonders eng, bilden sich gesittet Einerkolonnen. Und überall sieht man Menschen seelenruhig die Bauarbeiten bestaunen.
So auch die Frau, die mit einem Buben an der Hand einer Gruppe von Arbeitern zusieht. «Lueg Yannick, jetzt werden die Schienen verschweisst», sagt sie zum staunenden Knirps. Sie müsse später noch weiter, so die Zürcherin. Zwar wisse sie nicht genau, wie sie aus der Grossbaustelle herausfinde, aber das werde sich schon ergeben.
Bauarbeiten im Plan
«Ich habe erstaunlich wenige Reklamationen bekommen», bestätigt Pia Eggenschiler von den Zürcher Verkehrsbetrieben (VBZ) den Eindruck positiver Stimmung. «Transport Guide» steht auf ihrer Jacke und sie hilft den Verirrten am Bahnhof Stadelhofen auf den richtigen Weg. Die Pendler hätten die Situation sehr schnell im Griff gehabt, sagt sie. Und seit der Durchgang vor dem Bistro Mandarin verbreitert und damit ein Fussgängerstau beseitigt worden sei, verliefen die Tage eigentlich reibungslos.
Dem kann Heinz Illi, VBZ-Leiter Netz und Stadtrat von Dietikon, zustimmen. Er ist zum Bellevue gekommen, um zu sehen, ob Trams und Busse trotz Grossbaustelle problemlos rollen. «Dafür, was die Passagiere hier erleiden müssen, reagieren sie eigentlich sehr entspannt», so Illi. Die grössten Schwierigkeiten würden die verschobenen Ein- und Aussteigepunkte bereiten. «Wir werden deshalb noch mehr Auskunftspersonal aufstellen.»
Für die VBZ laufe dagegen fast alles rund und die Bauarbeiten lägen im Zeitplan. Einzig die Ersatzbusse in Richtung Tiefenbrunnen würden in Ermangelung einer Busspur etwas unter dem Individualverkehr leiden.
Gibt es denn niemanden, den die Grossbaustelle stört? Doch, die Brasserie Schiller im Gebäude der «Neuen Zürcher Zeitung» scheint, eingekreist von den Baumaschinen, eine kleine «Insel der Nicht-so-Glückseligen» zu sein. «Vor allem abends haben wir viel weniger Kundschaft», ist dort bei einem kurzen Besuch zu erfahren. «Und Mittags kommen fast nur noch die Stammgäste.»