Spreitenbacher Schüler treffen regelmässig Kindergärtler. Dabei wird gelesen, erzählt und zugehört, aber auch Freundschaft geschlossen.
Stefanie Niederhäuser
Aufgeregt plappernd sitzen die Kinder vom Spreitenbacher Kindergarten Brüel 2 im Kreis. Sie warten gespannt auf ihren Besuch: Die Klasse 2b der Real Spreitenbach kommt vorbei. Im Gepäck haben die Schüler je ein spannendes Bilderbuch. Nach zwei Einstiegsliedern verteilen sich die Kinder und Jugendlichen paarweise im ganzen Raum. Bald sind aus jeder Ecke verschiedene Geschichten zu hören. Die Kinder sind auf einmal ganz ruhig geworden und lauschen mit grossen, leuchtenden Augen und offenen Mäulern.
Die Vorleseaktion ist Hauptbestandteil des Projekts «Bücherkids» und wurde von Schulleiterin Moria Zürrer ins Leben gerufen. Mit dem Projekt wird eine ganze Palette von Zielen erreicht. Grundgedanke ist die Leseförderung. «Jedes Kind soll möglichst früh Zugang zu Büchern haben», erklärt Zürrer. Wichtig sei aber auch, dass die Kinder von Anfang an eine positive emotionale Bindung zum Lesen entwickeln. So entstand die Idee der Lesepatenschaft.
Alle profitieren davon
«Dem voran geht hartes Training», erklärt Charles Rachelly, Klassenlehrer der Realklasse. Das Erzählen der Geschichten wird mit den Schülern ausführlich besprochen und geübt. Ebenso lernen sie, das Kind in die Geschichte zu integrieren, seine Aufmerksamkeit zu wecken und auf seine Interessen einzugehen. «Die Schüler trainieren damit ihre Sozialkompetenz und den Umgang mit Kindern. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, und erfahren, was es heisst, Vorbild zu sein», erklärt Zürrer. Motivierend wirken vor allem zwei Dinge: «Das Ziel der Übung ist stets sichtbar, nämlich der Vorlesetag. Die Reaktion der Kinder verhilft den Schülern zudem über eine klare, sofortige Rückmeldung zu ihrer Erzählweise», beschreibt Klassenlehrer Rachelly.
Das Projekt bereitet der Kindergärtnerin Andrea Suhner ausnahmslos Freude. «Es berührt mich, zu sehen, wie die Schüler auf die Kindergärtler eingehen», erzählt sie. Zu beobachten, wie aus einem scheinbar rücksichtslosen, auf sich selbst bezogenen Jugendlichen ein fürsorgliches, einfühlsames Vorbild werde, sei für sie etwas Wunderschönes. «Die Beziehungen, die zwischen den Jugendlichen und den Kindern entstehen, sind sehr wertvoll», sagt sie.
Auch die Kindergärtler profitieren deshalb viel von der Patenschaft. Neben den positiven Erfahrungen mit Büchern und Geschichten knüpfen sie Kontakte zu Älteren und können dadurch Hemmungen und Ängste abbauen. «Ich erlebe immer wieder, dass Kinder, die in der Gruppe kaum je etwas sagen, ganz aus sich herauskommen», erzählt sie.
«Ein weiterer Vorteil ist, dass durch das Projekt Schule und Kindergarten näher zusammenrücken», erklärt die Schulleiterin. «Dies bedingt und ermöglicht aber auch ein enges Zusammenarbeiten und Austauschen zwischen den Lehrpersonen.»
Mehr als nur Vorlesen
Um zwischen den Paten und den Kindern Vertrauen aufzubauen, treffen sich die Klassen neben dem Vorlesen auch zu anderen Aktionen. Gemeinsames Schlittschuhlaufen, Grillen oder Spielen standen schon auf dem Programm. Dies zeigt: Die Patenschaft fördert das Lesen, ist aber gleichzeitig mehr als blosses Vorlesen. Damit hat das Projekt Vorbildcharakter.
Fast schon symbolisch ist deshalb die Geschichte, die ein aufgeweckter Knabe an diesem Vorlesemorgen seinem Göttikind erzählt: «Wollen wir Freunde sein?», heisst sie und berichtet vom Igel Max auf der Suche nach einem Freund, der ihn ergänzt. Solche Freundschaften entstehen beim Vorlesen: Freundschaften, die allen weiterhelfen.