Soll die Kirche den Rügel weiter allein tragen oder einen Partner suchen? Nun werden Weichen gestellt.
Mathias Küng
Variante 1: Betrieb weiter als «klassisches» kirchliches Tagungshaus in Eigenverantwortung. Der Hotelleriebereich kann verpachtet werden. Der Rügel wäre aufgrund seiner einmaligen Lage auch als Gasthaus positionierbar.
Variante 2: Betrieb in «geteilter» Verantwortung mit einer anderen Organisation. Hier würde das Tagungshaus mit speziellem Themenschwerpunkt betrieben, der aus der Zusammenarbeit mit einer anderen Organisation resultieren soll. Die Landeskirche bliebe alleinige Besitzerin. Die Personal- und Betriebskosten wären zwischen Kirche und Partnerorganisation aufzuteilen und gemeinsam zu tragen. Auch nötige bauliche und infrastrukturelle Anpassungen wären gemeinsam zu planen und zu finanzieren. Seitens der Landeskirche lägen dafür gewisse Mittel bereit.
Variante 3: Abgabe der Verantwortung mittels Verkauf oder Verpachtung. Allerdings verhindern die Nutzungseinschränkungen aufgrund des Hallwilersee-Schutzdekrets eine Nutzung durch Private weitgehend, schreibt der Kirchenrat. Es müsste im öfgentlich-rechtlichen Bereich eine Käuferschaft gefunden werden, etwa eine Kirchgemeinde oder der Kanton. Die Landeskirche verspräche sich vom Verkauf keinen überwältigenden Ertrag, hätte aber keine Betriebs- und Personalkosten mehr. Diese Mittel könnten künftig anderweitig eingesetzt werden. (MKU)
Seit über 50 Jahren ist das Tagungszentrum Rügel im Besitz der Reformierten Landeskirche Aargau. Jahr für Jahr kostet er sie netto 350 000 bis 450 000 Franken. Inzwischen sind einige Infrastrukturanpassungen nötig. Und in näherer Umgebung sind mit Herzberg und Wislikofen gleich zwei Tagungshäuser mit ähnlicher Ausrichtung tätig.
Grund genug also für Grundsatzgedanken über die Zukunft des Rügel. Den Auftrag dazu gab die Synode dem Kirchenrat vor zwei Jahren. Dieser hat von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen die Möglichkeiten abklären lassen. Diese hat dem Kirchenrat schliesslich sieben Projektskizzen vorgestellt: Rügel als Wohlfühlort, Zentrum für Jugendarbeit, Gast-Haus Rügel, Blueshaus, Kultur und Kunst, Haus der Jugend und Friedensförderung. Die Skizzen wurden in drei Trägerschaftsmodelle eingeteilt (vgl. Kasten).
Synode vor Grundsatzentscheid
Am 11. November soll die Synode einen Grundsatzentscheid fällen. Ihr Wunsch vor zwei Jahren war klar: Der Rügel solle der Kirche möglichst erhalten bleiben, sagt Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen. Im Zuge der Abklärungen habe man festgestellt, dass mehrere solche Tagungshäuser verkauft werden und dass sich vorab solche halten, die über die üblichen kirchlichen Beiträge finaus zusätzlich finanzielle Unterstüzuung erhalten. Sollte sich die Synode also für Variante 1 (Rügel wie bisher) aussprechen, wäre es Bandixen ein Anliegen, genau zu schauen, wie dies «finanziell realistisch umgesetzt werden kann. Bandixen: «Nicht dass wir in zwei, drei Jahren wieder gleich weit sind wie heute.»
Partnersuche mit Chancen?
Der Kirchenrat empfiehlt «nach sachlichem, nüchternem Abwägen» (Bandixen) Variante 2 «geteilte Verantwortung». Dies, nachdem man aus einer Vorauswahl 39 mögliche Organisationen unverbindlich angefragt hatte, ob sie an einer Partnerschaft interessiert wären. Laut Bandixen gelten aufgrund der Antworten fünf Organisationen als mögliche Partner. Diese zeigen sich sehr interessiert. Aber ob daraus eine überzeugende, «geteilte Verantwortung» entstehen könne, dafür gebe es keine Garantie. Bandixen: «Wir haben aber keine Detaildiskussionen geführt und von niemandem eine Unterschrift. Erst muss die Synode entscheiden.» Die Namen der fünf Organisationen kann Bandixen mit Rücksicht auf diese nicht nennen. Sie stammten etwa aus den Bereichen Jugendarbeit und Soziales. Ziel wäre eine win-win-Situation für beide Seiten, sagt Bandixen. Weil die Landeskirche dabei im Besitz des Rügel bleibt, müsse sie letztlich die Gesamtverantwortung für das, was dort passiert, wahrnehmen.
Bandixen wird diese Variante an der Synode in Aarau mit Überzeugung vertreten. Im Bewusstsein, dass es für diesen «innovativen Schritt» kein Referenzbeispiel gibt. Sollte die Synode das Okay dafür geben, würde der Kirchenrat Verhandlungen mit möglichen Partnern aufnehmen. An der nächsten oder spätestens übernächsten Synode vom November 2010 würde er dann eine oder mehrere Partnerschaften zum Beschluss vorlegen wollen.
Gruppe für bisherige Lösung
An der Synode werden sich Anhänger einer Gruppe «Zukunft mit Rügel» um Pfarrer Paul Bopp aus Seengen für dessen Weiterführung in alleiniger Verantwortung der Kirche einsetzen. Heinrich Urech, ehemaliger Kirchenpflegepräsident von Seengen, ist eines der Mitglieder dieser Gruppe. Er weiss: «Der Rügel ist kein Renditeobjekt». Und doch sehen die Arbeitsgruppe und er andere Möglichkeiten. So könnte es der Landeskirche laut Urech wohl anstehen, den Rügel beispielsweise für finanziell vom Leben nicht verwöhnte und randständige Personen zu öffnen, diesen dort «low price-Angebote» zu ermöglichen. Urech: «Das muss man aber wollen.» Der Rügel werde schlecht geredet, ist er überzeugt. Er sei gut belegt, obwohl ein Leiterpaar fehle, welches als Gastgeber die Kirche repräsentiere und die Türe für alle offen halte. Urech zweifelt überdies, dass es gelänge, einen Partner für den Rügel zu finden. Sollte diese Suche misslingen, befürchtet er, dass dann nur noch eine Trennung vom Rügel bliebe. Das würde er ausserordentlich bedauern.