Mehr als 120 Jahre war das Bier aus der Schönenwerder Brauerei Karbacher in der Region ein Begriff. Jetzt hat das Unternehmen die Eigenproduktion aufgegeben und konzentriert sich auf den Getränkehandel. Inhaber Paul Karbacher erklärt, warum er sich dazu entschlossen hat.
Christian von Arx
Paul Karbacher führt die Brauerei in Schönenwerd in vierter Generation. Sein Urgrossvater Franz Karbacher (1848-1911) war aus Bayern eingewandert. Er betrieb ursprünglich die Brauerei Schlör in Menziken AG (heute Getränkehandel). Um 1886 - das genaue Gründungsjahr ist unsicher - zog er nach Schönenwerd, übernahm das Restaurant nahe der Aarebrücke und eröffnete eine Brauerei.
Nach dem Tod des Gründers wurde die Brauerei von seinem Sohn Franz Dominik (1879-1926) weitergeführt. Dieser starb früh, so dass sein Sohn Franz Josef Karbacher (1905-1975) schon im Alter von 21 Jahren die Verantwortung übernehmen musste. In seiner Ära, die vom Bierkartell geprägt war, erreichte die Schönenwerder Brauerei ihre grösste Produktionsmenge, wie Paul Karbacher vermutet. Sie war jahrzehntelang die einzige Solothurner Brauerei .
Beim Tod von Franz Josef Karbacher (1975) stand sein Sohn Paul (*1952) im Studium als Lebensmittelingenieur an der ETH Zürich. So übernahm dessen Mutter Hedwig Karbacher -Noé (*1924) für mehr als ein Jahrzehnt die Führung des Unternehmens. Nach Studienabschluss arbeitete Paul Karbacher teilzeitlich in der Brauerei .
Um 1987 übernahm er die Leitung der Firma. In der damaligen Endphase des Bierkartells setzte er auf neue Biersorten, die nicht den Kartellregeln unterlagen. Neben den traditionellen Sorten Lager hell und dunkel, Spezial- und Starkbier lancierte er zusammen mit Braumeister Mahrer die «Maisperle» (das zweite Maisbier in der Schweiz), die «Reisperle», das Haferbier «Mustang» (hell und dunkel), das naturtrübe Bio-Bier «Hopfe-Buurli», das Diätbier «Skiff» und als Letztes (2002) das «Köhler- Bier ». Das dunkle «Mustang» wurde 1997 von «Facts» als «das beste Bier im Land» gefeiert. Weitere Spezialitäten, etwa ein Hanfbier, wurden als Aufträge gebraut. Die Kleinbrauerei Karbacher gehörte damit zu den Brauereien mit der grössten Vielfalt an Biersorten in der Schweiz. (cva)
Kein Karbacher Bier mehr aus Schönenwerd - was heisst das gefühlsmässig für Sie?
Paul Karbacher: Das war der schwierigste Entscheid meines Lebens. Ich habe ihn jahrelang vor mir hingeschoben. Aber ich habe es gesundheitlich nicht mehr geschafft.
Was meinen Sie damit?
Karbacher: Nach meinem Unfall im Jahr 2000 habe ich den Betrieb neun Jahre lang durchgezogen. Jahrelang hatte ich mir weismachen lassen, die Unfallfolgen würden mit der Zeit abklingen. Tatsächlich ging es aber immer schlechter. Vor etwa anderthalb Jahren stellte ich fest, dass ich immer mehr Dinge vergass. Nach einer gründlichen Abklärung in der Reha-Klinik Bellikon erhielt ich vor einem Jahr den Bericht, dass mein Kurzzeitgedächtnis massiv abgenommen hatte. Da war mir klar, dass ich handeln musste.
Vor neun Jahren wurde Paul Karbacher auf Zebrastreifen angefahren. An den Folgen des Unfalls trägt er bis heute schwer: Schmerzen in Hals und Schulter, Schwindelgefühle, Kopfweh und Schlafstörungen ist er nie mehr losgeworden. Er benötigt täglich starke Schmerzmittel und zweimal wöchentlich Physiotherapie. Was ihn zusätzlich zermürbte, war der Kampf um die Anerkennung seiner Schmerzen. Erst anderthalb Jahre nach dem Unfall sei er erstmals seriös untersucht worden - damals wurde ihm das Schulter-Nacken-Gestell verordnet, das er seitdem ständig tragen muss. Die Suva attestiert ihm eine Arbeitsfähigkeit von nur noch 19 Prozent. Die Entschädigungsfrage ist noch heute nicht abschliessend geklärt. (cva)
Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Brauanlagen still zu legen und nur den Getränkehandel weiterzuführen?
Karbacher: Vom gesamten Umsatz der Firma machte die Bierproduktion schon lange nur 10 bis 15 Prozent aus, der grössere Teil wird mit dem Getränkehandel erwirtschaftet. Mein Arbeitsaufwand für das eigene Bier betrug aber mindestens die Hälfte. Darum musste ich in erster Linie auf das eigene Bier verzichten.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Brauerei Locher in Appenzell?
Karbacher: Ich wollte, dass mindestens das «Köhler-Bier» weiter produziert wird. Raphael Locher erkannte das Potenzial des «Köhler-Biers», das bei seiner Lancierung einen Preis als untergärige Spezialität gewonnen hat. Auch passte es gut in das Sortiment der Appenzeller, die kein Amber-farbenes Bier hatten. Locher braut nun das Köhler-Bier nach unserem Rezept und verkauft es in der ganzen Schweiz und das mit gu-tem Erfolg. Wir verkaufen in unserem Gebiet das Köhler-Bier zusammen mit den Appenzeller Bieren. Ich habe auch andere Optionen geprüft, aber dabei wäre das Köhler-Bier eingestellt worden. Dass andere Brauereien uns «helfen» wollten, wie zu lesen war, davon kann keine Rede sein.
Mussten Sie in der Firma Mitarbeiter entlassen, weil in der Brauerei jetzt kein Bier mehr produziert wird?
Karbacher: Nein. Unser Brauer hat schon letztes Jahr von sich aus gekündigt. Das Team bleibt beisammen: Eine Mitarbeiterin in der Administration, zwei Chauffeure und mehrere Teilzeitbeschäftigte in den Getränkemärkten in Schönenwerd und Aarau.
In Ihrer Brauerei stehen nun Sudhaus, Gärtanks und Abfüllanlage still. Ist es denkbar, dass sie wieder einmal in Betrieb genommen werden?
Karbacher: Es haben sich schon eine ganze Reihe Interessenten gemeldet. Aber wenn ich sie frage, wer denn die Anlage bedienen soll, dann gehen sie davon aus, dass ich das mache. Das kommt aber nicht in Frage, denn damit käme ich wieder ins gleiche Fahrwasser. Die Anlagen zu vermieten wäre möglich, aber die Mieter müssten sie selbst bedienen. Ausserdem macht sich mein Sohn Christoph Gedanken darüber, ob er nach seiner Lehre wieder Bier brauen möchte.
Die Liebhaber des Karbacher Biers sitzen nun auf dem Trockenen. Was empfehlen Sie ihnen als Alternative?
Karbacher: Sie sollen trinken, was ihnen am besten mundet. Das Appenzeller Bier, das bei uns - neben anderen Bieren - erhältlich ist, kann ich auf jeden Fall empfehlen: Es ist ein Bier von Top-Qualität.