Startseite
Panorama
Vermischtes
Nach der kontroversen Diskussion wollte die AZ wissen, was unsere Kirchen zum Fasnachtsgottesdienst zu sagen haben. Daniela Hess, Pfarrerin der Reformierte Kirchgemeinde Baden, und Andreas Zimmermann, Gemeindeleiter der Katholischen Kirche Gebenstorf, geben Antwort.
Warum soll weiterhin Fasnachtsgottesdienst gefeiert werden?
Daniela Hess: Viele Leute haben ein verstaubtes Bild von der Kirche. Wir möchten ihnen zeigen, dass die Kirche nicht ‹tötelig› und streng ist. Menschen, die sonst nie einen Gottesdienst besuchen, kommen am Sonntagmorgen ins Fasnachtszelt am Bahnhofplatz Baden. Kostümierte Fasnächtler schätzen den besinnlichen und fröhlichen Gottesdienst vor dem Umzug. Am anschliessenden Apéro finden viele tolle Begegnungen statt.
Andreas Zimmermann: Zu diesem Gottesdienst kommen viele, die sich sonst nicht über die Schwelle einer Kirche trauen. Ein Fasnachtsgottesdienst bringt frischen Wind und Leben in die Kirche. Das ist enorm wichtig. Für viele ist das der einzige Gottesdienst, den sie im Jahr besuchen.
Sind Fasnacht und Kirche nicht ein Widerspruch?
Wird der Gottesdienst würdevoll ablaufen?
Hess: Es ist ein vollwertiger Gottesdienst. Predigt, Gebet und Vaterunser werden von ‹fätziger Musig› umrahmt. Mit lustigen und besinnlichen Elementen möchte ich zeigen, dass ein Gottesdienst nicht mit todernster Miene gefeiert werden muss. Seit mehreren Jahren organisiere ich den Gottesdienst mit der Chaosclique Kappelerhof. Sie halten stets Rücksprache mit mir und verhalten sich respektvoll. Ihnen haben wir die ganze Infrastruktur, die Dekoration und den Apéro zu verdanken.
Zimmermann: Manchmal ist es ein Spagat, die beiden Elemente Freude und Ernsthaftigkeit zu vereinen. Es sollte jedoch kein Widerspruch sein. Wir führen einen Gottesdienst mit Kommunionfeier durch. Es wird Momente der Stille geben. Mit thematischen Inputs zur Fasnacht möchte ich zum Reflektieren anregen. Andererseits enthält der Gottesdienst viele ausgelassene und fröhliche Momente. Die Guggen gehen jedoch respektvoll mit dem Ort und der Situation um. Sie wählen immer sehr schöne, melodische Stücke aus. Weil es dennoch sehr laut wird, bieten wir am Eingang Ohropax an. Dieser Kompromiss wird rege genutzt.
Gab es jemals Reklamationen?
Hess: Anfangs waren Bedenken da, dass ein Fasnachtsgottesdienst ein Szenario ohne Tiefe sein könnte oder dass die Würde der Feier nicht gewährleistet sei. Von jenen, die den Gottesdienst besucht haben, gab es positive Rückmeldungen. Sogar viele treue Kirchgänger schätzen diesen speziellen Sonntagmorgen. Ich verstehe jedoch, dass diese Form von Gottesdienst nicht jedermanns Sache ist.
Zimmermann: Reklamationen gab es anfangs schon. Die Beschwerden gelangten damals bis zum Bischof, konnten jedoch in direktem Kontakt geschlichtet werden. Andererseits erhielt ich viele positive Rückmeldungen, auch von älteren Leuten. Das hat mich besonders gefreut.
Gehen Sie kostümiert an den Gottesdienst?
Hess: Ich verkleide mich jeweils dem Thema entsprechend. In einem Jahr tauchte ich als arme Kirchenmaus auf. So kann ich die Leute einführen oder das unterstreichen, was ich ihnen mitteilen möchte.
Zimmermann: Ich werde im Rahmen von Rollenspielen im Gottesdienst zwischendurch eine Maske tragen. Ich möchte damit das Thema «Masken tragen» aufgreifen.
Was bedeutet für Sie «Masken tragen»?
Hess: Unter einer Maske zu sein, bedeutet, eine neue Blickrichtung einzunehmen. Dadurch, dass man von der Aussenwelt abgeschnitten ist, kehrt sich der Blick nach innen. Dies sind für mich persönlich sehr besinnliche Momente an der Fasnacht.
Zimmermann: Jeder von uns trägt verschiedene Masken im Leben. Je nach Rolle, die wir innehaben, wechseln wir diese aus. Ich möchte die Menschen zum Nachdenken anregen. Würde es nicht Sinn machen, die eine oder andere Maske von Zeit zu Zeit abzulegen? (tab)