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Hunderttausend Fans aus aller Welt haben die Hochzeit in Windsor mitverfolgt. Viele verbrachten klirrend kalte Nächte im Freien, um einen guten Blick auf das Brautpaar zu erhaschen. Augenschein in einer Stadt, die sich zur Bühne eines Volksfestes verwandelt hat.
Um 13:18 britischer Zeit hat das lange Warten ein Ende. Die königliche Kutsche mit Prinz Harry und Meghan Markle fährt durch Windsor, vorbei an 100'000 Fans. Die Menschen jubeln, klatschen und schwingen wie wild ihre britischen Fähnchen.
Windsor, mit seinen 30000 Einwohnern so gross wie Emmen, 30 Kilometer westlich von London gelegen, befindet sich seit Tagen im Ausnahmezustand. Die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle lockt mehr als hunderttausend Fans in diesen seit Jahrhunderten von der Königsfamilie geprägten Ort, an dessen Rand sich das Schloss Windsor majestätisch erhebt.
In der Fussgängerzone der mittelalterlichen Kleinstadt, durch die sich friedlich die Themse schlängelt, sind die Schaufenster der unzähligen Geschäfte mit britischen Fähnchen geschmückt, in vielen ist auch das Bild des Brautpaares zu sehen, nicht wenige haben lebensgrosse Pappfiguren des königlichen Paares an ihrem Eingang aufgestellt. In den Souvenirshops werden die skurrilsten Artikel verkauft. Neben Tassen und Fähnchen mit dem Antlitz des Brautpaars, gibt es auch Cornflakes, Badeanzüge und sogar Kondome, auf denen ein Bild von Meghan und Prinz Harry zu sehen ist. In einem der vielen Cafés der Stadt verkaufen sie „Megharrycino“, eine Art Cappuccino, bei dem das Brautpaar aus Schokoladenpulver auf den Caféschaum gezaubert wird.
Im Altstadtkern von Windsor befindet sich die Konditorei mit dem für Grossbritannien untypischen Namen Heidi. Konditormeister Brice, ein wortgewandter Mann um die Dreissig, hat in den letzten Wochen wohl auch dank seines einnehmenden Charmes ausfindig gemacht, welche Zutaten die Hochzeitstorte enthält, die die geladenen Gäste gestern Abend serviert bekommen haben. Der Konditor bietet die Hochzeitstorten in Miniaturausgabe für 5 Pfund, umgerechnet fast 7 Schweizer Franken, seinen Kunden an. Trotz des stolzen Preises stehen die Royalfans seit zwei Wochen in seiner Konditorei Schlange, erzählt Brice. Jeder möchte von jenem royalen Dessert kosten, das den 200 geladenen Gäste gestern Abend gereicht worden ist. Im Akkord werden die dreischichtigen Törtchen aus Zitrone, Holunderblütensirup und Buttercreme produziert, deren Spitze eine Kirsche und natürlich ein britisches Fähnchen ziert. Mehr als tausend dieser kompakten Kalorienbomben hat die Konditorei bis gestern Mittag verkauft - Die Konditorei macht in diesen Tagen das Geschäft ihres Lebens. Brice backt Torten ohne Pause, und doch, sagt er mit einem zufriedenen Lächeln: „Es wird niemals für alle Fans reichen.“
Viele der Fans, die zur Hochzeit kommen, um einen Blick auf das Brautpaar zu erhaschen, positionieren sich am „Crazy Corner“ oder am „Long Walk“, einer fünf Kilometer langen Straße, die mitten durch den imposanten königlichen Park zum Schloss Windsor führt. Eine vierköpfige Familie aus dem kanadischen Vancouver hat sich schon in der Nacht auf Freitag an einer Strassenkreuzung beim „Crazy Corner“ aufgestellt, von wo der Blick auf das Schloss Windsor mit seinen fast tausend Jahre alten Grundmauern reicht. Mutter, Schwiegersohn und die beiden Töchter haben die klirrend kalte Nacht auf roten Klappstühlen und fest eingehüllt in Decken verbracht, gelegentlich stärkten sie sich mit Müsliriegel. „Wir wollen Teil der Geschichte sein“, erklärt die 62-jährige Janice.
Beim unweit daneben gelegenen „Long Walk“. Hier hat sich die 21-jährige Kim aus dem sankt gallischen Eschenbach zusammen mit ihrer Freundin Paulina aus Köln nahe an die Absperrung zur Strasse heran gekämpft, dafür musste sie sich gestern bereits um 6 Uhr morgens am „Long Walk“ positionieren. „Ich bin total begeistert von der Atmosphäre hier, die Briten freuen sich so unfassbar über diese Hochzeit - das ist total ansteckend“, sagt die Ostschweizerin begeistert. Auch Kim trägt - wie fast alle Fans hier - Fanartikel. Auf ihrem Kopf eine gelbe Krone aus Pappe, in ihrer Hand eine kleine Grossbritannien Fahne. „Die Kutsche von Meghan und Harry war nur zwei Meter von mir entfernt“, erzählt die seit einem Jahr in London wohnhafte Ostschweizerin. „Es war einfach unglaublich, ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde.“ Die unzähligen Bilder und Videos, die sie von der königlichen Kutschenfahrt und vom Tag in Windsor gemacht hat, werden direkt von hier noch an alle Freunde und an die Familie in der Schweiz geschickt.
Nur kurz dauert der Moment, in dem das Brautpaar in der Kutsche durch die Strassen von Windsor fährt, vorbei an Fans aus aller Welt. Der Zauber hält in Windsor an, als Meghan und Harry längst im erlauchten Kreis der Hochzeitsgäste weiter feiern. Tausende Royal-Fans begeben sich zu den unzähligen Getränkestände am Long Walk, stossen mit Pints auf das Brautpaar und ein bisschen auch auf sich sich selbst an. Gegen Abend feiern sie weiter in den Pubs der Kleinstadt. Windsor und die Royal-Fans stehen vor einer nächsten langen Nacht. Nur frieren muss heute niemand mehr.
Von extravagant bis farbenfreudig: So haben sich die Fans in Windsor gekleidet: