Alpabzug
Eine Cow-Parade im Stedtli

Nicht anonym im Viehtransporter, sondern touristisch effektvoll zu Huf marschieren demnächst über fünfzig Rinder und andere Tiere von der Waldweid hinunter ins Stedtli. Höhepunkt der Cow-Parade ist ein eigentlicher Umzug bis hinunter zum Postplatz.

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bz Basellandschaftliche Zeitung

Otto Graf

Wer einen Alpabzug erleben will, muss nicht zwingend in einen Alpenkanton reisen. Am 12. September ist auch Waldenburg Schauplatz eines derartigen Anlasses. Auf Initiative der Zunft zum Oberen Tor und der Interessengemeinschaft Alpabzug ziehen heuer etwa 55 Rinder von der Waldweid gut 500 Höhenmeter hinunter ins Froburger Städtlein.

«Alpabzüge hat es schon immer gegeben, nicht aber in dieser Form», erklärt Zunftmeister René Vogt. Vor zwei Jahren habe man beschlossen, dem Ereignis einen touristischen Anstrich zu geben. Thedy Plattner, Alphirt auf der Waldweid, führte in der Folge die Herde zu Fuss ins Tal. In wenigen Wochen wiederholt sich die Geschichte. Doch es sind nicht nur Rinder, die über einen Teil der Hauenstein-Passstrasse, die temporär für den Verkehr gesperrt wird, talwärts streben.

Auch Schafe und Hunde sind im September mit von der Partie. Und unten im Stedtli ergänzt Mechanisches das Tierische: Die Freunde alter Landmaschinen zeigen ihre Vehikel an der Parade vom Holzschopf durch die engen Gassen bis hinunter zum Postplatz. Dann werden die Tiere in einen Pferch gebracht und von den Eigentümern - Bauern aus der Region - nach dem hunderttägigen Ferienaufenthalt auf den Baselbieter Jurahöhen wieder übernommen.

Waldenburg wäre nicht Waldenburg, wenn die ganze Geschichte nicht in ein Volksfest münden würde. So findet gleichentags im knapp 1300 Seelen zählenden Stedtli ein Bauernmarkt statt. Und drei Gastwirte aus dem Dorf organisieren zusammen mit der erwähnten IG für die Einheimischen und Gäste einen bodenständigen Festbetrieb. Das Pendant zum Alpabzug, der in den alpinen Regionen auch als Alpabfahrt bezeichnet wird, ist die Alpauffahrt.

Diese erfolgt seit vielen Jahren ausschliesslich mit motorisierten Viehtransportern. In den
Anfängen des Sömmerungsbetriebes auf der Waldweid gegen Ende des 19. Jahrhunderts, erzählt der Zunftmeister weiter, seien die Tiere teilweise mit der Waldenburgerbahn in den Bezirkshauptort gekommen. Dann ging es zu Fuss weiter.

Hundert Rinder haben das Privileg, sich während hundert Tagen auf den ausgedehnten Weidflächen der Bürgergemeinde Waldenburg am saftigen Gras und an den vortrefflichen Kräutern zu verköstigen. Betreut werden sie seit Jahren von Thedy Plattner und dessen Familienangehörigen. Zur Herde gehört auch ein Stier, der die Kühe beschützt. «Passiert ist bis jetzt nichts, denn die Wanderwege führen alle aussen herum», beruhigt René Vogt. Zudem stelle der Muni eine dermassen imposante Figur dar, dass kaum jemand auf die Idee komme, eine Abkürzung durch das Hoheitsgebiet der Rindviecher zu nehmen.

Etwa 45 Tiere verbleiben nach dem Alpabzug oben im Baselbieter Hochgebirge. Sie gehören nämlich dem Hirten, der nebst seinem Bauerngut auf dem Tschoppenhof auf der Waldweid ganzjährig die Bergwirtschaft betreibt. Wenig Freude am Alpabzug habe der Stier, gibt Vogt zu verstehen. Diesem entgehe natürlich nicht, dass der Grossteil seiner Herde entführt wird. Entsprechend unruhig gebärde er sich und unterstreiche seinen Unmut durch Schnauben und Stampfen mit den Hufen.